III. Bogislaws Regierungsantritt.

Es ist bereits erzählt, daß wahrscheinlich Herzog Erich II. schon vor seinem Tode seinem Sohne Bogislaw Regierungsgewalt vielleicht nur in Hinterpommern übertragen hat. Ob ihn dazu Krankheit oder längere Abwesenheit aus diesem Teile seiner Herrschaft veranlaßten, muß zweifelhaft bleiben. Jedenfalls gab er dem jungen Fürsten seinen langjährigen Kanzler Nikolaus Damitz als Beirat. Auch der später von der Volkserzählung so arg mitgenommene Hans Massow erscheint unter den Zeugen der schon angeführten Urkunde vom 1. Juli 1474. Aus den ersten Monaten der Regierung Bogislaws fehlt es an sicheren Angaben, wir wissen nur, daß die Nachricht vom Tode Erichs in Danzig wieder die Frage wegen der Länder Lauenburg und Bütow zur Verhandlung brachte.1) Es ist jedoch an dieser Stelle, wo es sich um das Verhältnis zwischen Bogislaw und seiner Mutter handelt, nicht notwendig, hierauf einzugehen oder die allgemeine Zeitlage darzustellen, unter welcher der junge Fürst das Erbe antrat. Dem Vater folgte im Tode nur zu bald der Sohn Kasimir, der in der Zeit vom 8.- 15. September zu Rügenwalde starb.2) Der junge Fürst hinterließ, wie die Mönche von Marienkron bei Rügenwalde nicht vergessen haben in ihrem liber beneficiorum aufzuzeichnen, diesem Kloster ein Pferd und seine Armbrust mit Köcher, gewiß die wertvollsten Besitzstücke des jungen Prinzen. Um dieselbe Zeit vielleicht schied auch sein Bruder Wartislaw aus dem Leben, über dessen Tod nur eine Angabe erhalten ist, welche die Zeit nicht klar erkennen läßt.3) Wann der vierte Sohn Barnim gestorben ist, bleibt ganz unklar, da über ihn jede nähere Angabe fehlt. Die wiederkehrenden Todesfälle haben dann, wie das früher so häufig der Fall war, den Anlaß zu dem Gerüchte von Vergiftung gegeben.

Am 25. November 1474 fand in Stargard eine Versammlung der hinterpommerschen Stände statt, denen Bogislaw eine feierliche Bestätigung ihrer Privilegien und Freiheiten verlieh.4) Vorausgegangen waren natürlich längere Verhandlungen auch über das Recht, das die Herzogin Sophia als Erbin des Königs Erich an dem Lande hatte. Sie nahm mit dem Sohne an dem Tage teil und verzichtete zu seinen Gunsten auf ihre Ansprüche. Es handelte sich wohl vornehmlich um die Einkünfte aus Hinterpommern, welche, wie oben (S. 138 f.) erwähnt ist, der Fürstin seit 1464 vollständig verschrieben waren. In einer späteren Denkschrift,5) die für den König von Polen bestimmt war und noch wiederholt herangezogen werden wird, erzählt Bogislaw selbst: Dan unse her vader in got vorstorven was und de lant up uns, also up sinen rechten sone und naturliken erven, vellen, do toch unse leve frowe moder myt uns int lant to Pamern in alle steder. Und dar weren vorbadet prelaten, heren, manne und stede des sulven landes, de denne uns erfhuldinge don scholden. So wolden de denn also nicht don, sundergen unse leve frowe moder scholde se erst verlaten und vortigen aller rechticheit, de se to den landen vermende to hebbende. Dat dede ere leve gutwillich, ungedrungen sunder unse bede. Und dat dit also geschen is, then wy uns to unsen gemenen rederen, prelaten, heren und stenden, den de dingk noch wol indechtich und witlik sint.

Wie Bogislaw 1474 mit seiner Mutter die Huldigung mehrerer Städte in Hinterpommern entgegennahm, so fand im Anfange des Jahres 1475 diese feierliche Handlung in einigen Städten Vorpommerns statt, die zu seiner Herrschaft gehörten, am 4. Januar in Wolgast, am 20. Januar in Wollin, am 23. Januar in Camin.6) Hier wird ihn die Mutter nicht begleitet haben, da sie kein besonderes Anrecht auf diese Gebiete hatte. Am 24. Mai 1475 weilte Bogislaw in Rügenwalde,7) gewiß bei der Herzogin, die ihn mit Rat und Tat unterstützte. Es handelte sich vor allem um die Frage der Belehnung durch den Kurfürsten von Brandenburg, der ja nach dem Prenzlauer Frieden von 1472 der Lehnsherr der Pommernherzoge für das Stettiner Gebiet war. Deshalb wurde jetzt an Bogislaw die Forderung gestellt, die Belehnung durch den Markgrafen nachzusuchen und den Lehnseid zu leisten. Bei dem alten Hasse, der zwischen Pommern und Brandenburg immer herrschte, und der allgemeinen Abneigung gegen die märkische Lehnsherrschaft ist es erklärlich, daß der junge Fürst sich dieser Pflicht zu entziehen suchte. Er wurde hierin von seiner Mutter bestärkt, deren Neigung besonders nach dem slawischen Osten ging. Auch die allgemeine Stimmung war viel mehr für das stammverwandte Polen als für das verhaßte Brandenburg.8) Ebenso fand Bogislaw an seinem Oheime Wartislaw X., dem alten Feinde der Hohenzollern, gewiß Unterstützung und Hilfe bei seiner ablehnenden Haltung. Als aber die Forderung immer dringlicher wurde und, wie man in Pommern erzählte, die Markgrafen am kaiserlichen Hofe tätig waren, einen darauf bezüglichen Befehl zu erhalten, richtete am 10. Juni 1475 Herzogin Sophia an den Kaiser Friedrich III. ein Schreiben,9) in dem sie flehentlich bat, sie und ihren einzigen Sohn 10) zu schützen, "dat wy meth unsen kynderen nicht vorneddergert werden in unser herlicheit und herschilde by juwer gnaden tid und boholden ie uns meth unsern landen und luden by juwer keyserlike maiestad und by deme billigen romesschen rike." Sie forderte eine kaiserliche Botschaft und entschuldigte, daß Pommern sich nicht früher an ihn gewandt habe, Gott wisse, daß das unmöglich gewesen sei. Irgend etwas Wesentliches scheint zwar durch dies Schreiben nicht erreicht zu sein, aber die Leistung des Lehnseides wurde weiter hinausgeschoben, und Markgraf Johann, der als Vertreter seines Vaters in Brandenburg gebot, wagte nicht mit Waffengewalt vorzugehen. Nach langen Verhandlungen wurde die Sache erst bei der Vermählung Bogislaws mit der Markgräfin Margaretha (1477 September 21) vorläufig beigelegt,11) endgültig aber erst nach dem Kriege von 1478-79 durch den Prenzlauer Vertrag vom 26. Juni 1479 geregelt.12)

Über diese wichtige Frage und die Huldigung der Städte, die weiter vor sich ging, fanden mannigfache Verhandlungen statt, so auf einem Tage zu Stargard, der im September 1475 gehalten ward.13) Auch trat jetzt die Herzogin Sophia mit der Forderung nach dem ihr verschriebenen Leibgedinge hervor, und es entstand, da Bogislaw nicht sogleich dieselbe bewilligte, zwischen Mutter und Sohn, die beide wenig zur Nachgiebigkeit neigten und mit einer angeborenen Hartnäckigkeit an ihrem Begehren festhielten, zum ersten Male ein tiefer gehender Streit. Der Herzog namentlich, der schon damals mit dem Versuche anfing, die verlorenen Rechte und Besitzungen des Fürstenhauses wiederzugewinnen, war keineswegs geneigt, in neue Abtretungen zu willigen. Da wandte sich Sophia mit der Bitte um Vermittlung an den ihr befreundeten Rath zu Danzig. Am 17. Oktober 1475 erschienen Abgesandte in Lauenburg, wo sich zur Verhandlung über die Streitfrage der Herzog und seine Mutter eingefunden hatten. Bogislaw schickte am folgenden Tage den Grafen Ludwig von Eberstein, die Doktoren Nikolaus Kruse und Bernhard Rohr, sowie den Ritter Hans von Darsow als seine Unterhändler zu der Mutter. Er ließ zunächst sein Mißfallen aussprechen, daß die Fürstin sich wegen der geringfügigen Irrungen mit ihm außer Landes beklagt habe. Die Stände hätten die Sache sicher ausgleichen können, und er werde seine Mutter schon wie eine Herzogin von Pommern und Stettin unterhalten. Sophia antwortete, sie verlange nur ihr verbrieftes Recht, ihr Leibgedinge und Erbe. Darauf ließ Bogislaw erwidern, die Herzogin habe auf die Länder aus freien Stücken verzichtet. Auch betonte er hier, wo es seinen Absichten und Plänen entsprach, seine sämtlichen Lande seien Lehen und nicht Erbe, ein Zugeständnis, das er Brandenburg niemals zugab. Es wurde der Fürstin auch vorgeworfen, sie habe sich nicht auf ihrem Leibgedinge aufgehalten und fremde Dienstleute angenommen. Um der Mutter das geforderte Gebiet nicht ausliefern zu müssen, ließ er ihr dann durch Werner von der Schulenburg anbieten, sie solle mit ihm ein Haus beziehen, er werde für sie Sorgen. Es übernahmen dann die Danziger Sendboten die Vermittlung und schlugen vor, der Sophia sollten Stolp und die halbe Mühle zu Stargard oder, wenn dies dem Herzoge unannehmbar erscheine, ein Haus zu Wollin, Camin oder Stargard und die Mühle zu Stargard verschrieben werden. Schließlich kam durch Werner von der Schulenburg ein Vertrag zu Stande, in dem bestimmt ward, daß die Herzogin Stolp mit dem Hofe und der Mole und der olden Stadt, 100 Gulden von der Mühle bei Schlawe und 500 von Lauenburg oder, wenn dies von Pommern aufgegeben werde, von einem anderen Orte erhalten solle. Dafür gab sie Usedom auf.14) Es geht aus den Verhandlungen deutlich hervor, daß Bogislaw mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit der Mutter das ihr zugesagte Leibgedinge, Wolgast und Usedom mit Zubehör, einfach vorenthielt, und es kann nicht geleugnet werden, daß er bei diesem Streite sicher im Unrechte war, wenn ihn auch vielleicht die Rothlage, in der er sich befand, zu diesem Verfahren zwang. In dem bereits erwähnten Schreiben wird die Sache natürlich zu bogislaws Gunsten dargestellt, es heißt dort: Do lustede ere leven in den sulven vorscreven sloten und stedern (d. i. Wolgast und Usedom), de er vorlifgedinget weren, nicht to wesende und to wanende und bat uns, dat wy erer leven dar vor don mochten Rugenwolde, Stolp und Slawe myt etliken guderen und tynseren, de dar to bolegen sinth, und eft dar mer fruchtbrukinge to gelegen were wen to erem lifgedinge, dat wolde se uns geven wedder myt anderen dingen vorguden. Des sint wy dat sulve mal erer leven gerne volgaftich geworden und hebben erer leven de vorscreven stede und slote to slotloven ingedan nicht also lifgedingk, sundergen wen uns de vordracht nicht lengk even (passend) were, dat uns ere leve up unse esschinge sodane stede und slote wedder antwerden scholde ungeweygert, und denne wolden wy ere leve wedder mit lifgedinge vorsorgen, wo temelik und billik were.

So wurde damals der Streit beigelegt, aber das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, das anfänglich, wie es scheint, ganz innig war, war seitdem getrübt. Eine Quelle vieler Streitigkeiten sollte es werden.

Sophia hielt sich vermutlich von nun an meist in Stolp auf. Im Mai aber des Jahres 1476 war sie mit ihrem Sohne und dem Herzoge Wartislaw X. in Anklam, wo am 21. Mai die Verlobung der Prinzessin Sophia mit dem Herzoge Magnus von Mecklenburg stattfand.15) Beide Herzoge bestätigten damals auch der Stadt Anklam ihre Privilegien16) und weilten am 15. Juni zusammen in Stettin.17) Dann aber zogen Bogislaw und die Herzogin Sophia mit stattlich ausgerüstetem Gefolge durch Pommern nach Preußen, um dem Könige Kasimir von Polen in Marienburg den schon früher angekündigten Besuch abzustatten. Über diesen finden wir in dem alten Stolper Stadtbuche18) eine kurze Notiz, die bisher unbekannt war, aber verdient, hier mitgeteilt zu werden: Anno domini millesimo quadringentesimo septuagesimo sexto ante combustionem civitatis,19) de qua in alio scribitur folio, domino nostra gratiosa Sophia, orbata viro et principe, cum filio suo Buggeslao principe solempni cum comitatu circa festum Jacobi (25. Juli) honeste decorato domino Buggeslao cum suis schacatis vestibus indutis illustrissimum et magne potentie dominum regem Polonie et Russie Kasamirum, nomine heredem Prutzie, visitavit usque ad castrum Marie in Prutzia, ubi tunc residenciam habuit cum duobus filiis. Quisque filius cum quadringentis equis speciosissime decoratis prefata ducissa Sophia cum filio Buggeslao ad eivitatem Margenborch solempniter primo, deinde ad castrum urbis Marie, ubi rex Polonie eosdem cum suis prelatis, episcopis, baronibus, militibus et starostis magno cum iubelio et reverentia more Polonorum acceptavit. Illustrissimus igitur doininus rex Polonie inspectis domini ducis Buggeslai gestis et persone elegantia ob reverentiam matris, que amica sua fuit carnalis, aliisve causis legitimis enudem Buggeslaum principem iuvenalem una cum barone Alberto de Neugardo et cancellario Nicolao Dametzen uxorato et vasallis in numero undecim in milites creavit et honorifice ordinavit et cum muneribus solempnis ad partes remisit. In reditu vero Stolp requiesivit et omagium de territorio Stolpensi recepit20) et recipiendum populum suum rexit in pace.

Daß dort in der Marienburg neben den Festlichkeiten auch wichtige Verhandlungen stattfanden, erfahren wir aus dem Recesse des Ständetages.21) Wieder bat die Herzogin um Hilfe gegen den Markgrafen von Brandenburg, die der König nur sehr vorsichtig zusagte. Weiter verhandelte man über Lauenburg und Bütow. Nach der Rückkehr weilte Herzog Bogislaw, wie es scheint, noch längere Zeit in Gesellschaft der Mutter und empfing auch die Huldigung von Schlawe und Rügenwalde.22) Wir können aber hiermit die Darstellung seines Regierungsantrittes schliessen und nun wieder prüfen, wie sich zu den urkundlich sicheren Nachrichten die Erzählung Kantzows verhält.

In der ältesten Bearbeitung23) lesen wir, wie folgt: Under des wart syn vader hertoch Erich tho Wolgast kranck und starff. Do dat de buhre horde, ginck he hen und wedder under de edellude und vermande se hemeliken, dat se eren hern scholden annhemen und nicht gedulden, dat he umb der moder hats willen so scholde als ein schlimmenitze vorstot werden. Do he nu meinde, dat he der saken einen wech gemaket hedde, sede he: ,,Bugslaff id wil sick nicht schicken, dat du alhir so im drecke lichst und lest di vorstoten. Tehe hen tho dem adel und segge, du bist ere here, dat se di hanthaven." Do dat de junge her horde, wort he fro und krech ein gemote und settede sick vor, nha des buhren rade tho dhonde. Denne so unachtlik he tovorn geholden was worden, so hedde he dennoch stedes lust und beger to hogen und furstliken dingen. Also ret de buhre mit em hen und brachte em ersten thom negesten eddelmann, de uham ehn gutlik ahn; averst de edelmann fruchtede sick dennoch vor de moder. So brachte he en vortdan; dar nhemen en de jungen gesellen vam adel gern ahn, desgeliken ock etlike von den vornhemesten des adels; denne ein jeder was aver der unbillicheit der moder und der jennen, de sick mehr by ehr annhemen, alse geborlik was, unduldich. Also sloch balde ein ganz hupen to ehm, dat he in korter tit by twen edder dren hundert perden by sick krech. Mit den rett he van dem einen thom andern in stede und dorper und ermanede se, dat se en alse eren hern erkhennen und annhemen wolden; und rett darnha tho synem veddern, hertoch Wartislaff, togede em de sake ahn und grebrukede syns rades. Darnha toch he nha Rugenwalde. Alse dat de moder horde, befruchtede se sick, he mochte etwes jegen se vornhemen, floch se vor erstlik nha Stolpe und folgends nha Dantzk und nham einen groten schat mit sick, den se vuste aldar vorterde und ummebrachte. Averst hertoch Bugslaff was keins bosen jegen syner moder gesynnet, sonder eschede se wedder und verdroch sick gutlick mit ehr.

Auch diese Erzählung, deren Tendenz besonders die letzten Worte verraten, ist mit den urkundlich feststehenden Tatsachen keineswegs in Einklang zu bringen. Bogislaw mag wohl, als er die Regierung antrat, bei einzelnen Edelleuten auf Schwierigkeiten gestoßen sein, die Anerkennung zu erhalten, da in jenen Zeiten der allgemeinen Verwirrung und Auflösung der Fürstenmacht der Adel nicht weniger als die Städte nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebte. Keineswegs aber kann er, wie von Kantzow erzählt wird, einzeln bei den Edelleuten herumgeritten sein und bei ihnen Hilfe und Beistand erbeten haben. Bereits am 1. Juli 1474 stehen ihm zur Seite der Kanzler Klaus Damitz, Bernd und Klaus Borke, Klaus Köller, Klaus Stojentin und Hans Massow, und am 25. November sind die Vertreter der pommerschen Ritterschaft um ihn versammelt. Es fehlte ja auch ganz und gar der Anlaß zu einer solchen heimlichen Verschwörung, da von einer feindlichen Gesinnung der Mutter sich keine Spur findet. Wie hätte sich sonst der Herzog bei den späteren Streitigkeiten mit derselben den Vorwurf entgehen lassen, daß sie ihm beim Antritte der Regierung Hindernisse in den Weg gelegt hätte. Keine Andeutung einer solchen Handlungsweise aber findet sich in den verschiedenen, später gewechselten Schriftstücken. Das Auftreten des sagenhaften Bauern gegenüber dem jungen Herrn, sein Wirken bei den Adligen, die ganze Rolle, die ihm hier zugewiesen wird, haben sicher etwas sehr Unwahrscheinliches an sich. Nun erzählt Kantzow in der niederdeutschen Chronik (S. 162) noch einmal von dem Bauern: Id is ock werdich antotogen, dat he den buhren Hans Langen, de en ersten thom regimente brachte, aller unplicht fry gaff und em wol mehr gedhan hedde, wen he id begert hadde. Desulffe buhre qwam vaken tho em tho Stettin, to Rugenwalde edder wor he sust mit hafe lach, und sach wo id em gingk, und hiete hertoch Bugslaff nicht anders wen du; und wat he denne mangels an den amptluden syns ordes edder sust vor feil wuste, dat togede he hertoch Bugslafe an; und hedde den geloven und gehor by em, dat he de amptlude des ordes mit synem rade settede und afsettede. Ist wohl die Stellung eines Bauern als vertraulichen Ratgebers am Ende des 15. Jahrhunderts denkbar? Und Bogislaw war voll überzeugt von der Würde seiner fürstlichen Stellung, und keineswegs ist bei ihm eine dem Bauernstande sehr zugeneigte Gesinnung denkbar. In den beiden genannten Orten Stettin und Rügenwalde hat der Herzog in dem ersten Jahrzehnt seiner Regierung, in dem er fast stets im Lande herumzog, nicht besonders häufig residiert, Wolgast und Ueckermünde wurden damals von ihm weit mehr bevorzugt. Erst etwa seit 1483 weilt er häufiger in Rügenwalde und seit 1488 auch oft in Stettin. Unter den Amtsleuten des ordes, die er nach des Bauern Rat ein- und absetzte, können doch wohl nur die Vögte von Rügenwalde verstanden sein. Unmöglich kann der Bauer eine Art Aufsicht über alle Amtsleute gehabt haben. In Rügenwalde sind als Vögte 1476 und 1479 Hans Massow, 1483 Peter Glasenap und seit 1486 Jürgen Kleist urkundlich nachweisbar. Von einer Absetzung der ersten beiden ist kein Zeugnis vorhanden, Glasenap übernahm die Vogtei nur auf zwei Jahre. Da die Amtsleute des Herzogs die Aufgabe hatten, nicht nur Gericht zu halten, sondern vor allem die landesherrlichen Güter zu verwalten und die Hebungen einzutreiben, so war ein Angehöriger des Standes, auf dem die Lasten am meisten lagen, wohl sehr wenig geeignet, im Sinne des Fürsten die Tätigkeit des Beamten zu beurteilen und zu beaufsichtigen.

In der niederdeutschen Chronik Kantzows wird Hans Lange nicht weiter erwähnt, dagegen findet sich in den hochdeutschen Bearbeitungen eine Ausführung der mitgeteilten Erzählung an späterer Stelle. Es wird berichtet, daß der Bauer von Lanzig nach der glücklichen Rückkehr des Herzogs von seiner großen Reise am Hofe erschienen sei, um ihn zu begrüßen. Der Herzog fragte ihn aus, wie es in Pommern stände und wie sich die Amtsleute hielten. "Und nachdem ime Hans Lange berichtet, wie ein iglicher sich hielte, recht oder unrecht, also hielt sich Hertzog Bugslaff gegen sie." Als ein Beispiel hierfür wird erzählt, daß einmal der Herzog einen Hauptmann zu Rügenwalde, Lüdeke Massow, der allerlei Strandgut an sich genommen und die Bauern arg beschatzt hatte, habe absetzen wollen. "Do bat Hans Lange darvor und sagte, diesser hette sich nhur schyr begraset, das er wurde ersettigt sein; so er aber ein ander hungerige Laws wurde hinsetzen, die wurde von newen an Schinnen und Schaben, und wurden die armen Pewrichen aufgehelligt werden." Diese Anekdote ist eine von den damals beliebten volkstümlichen Geschichten und verdient wenig Glaubwürdigkeit. Lüdke Massow ist erst 1507-1509 als Vogt nachweisbar. In der zweiten hochdeutschen Bearbeitung24) erzählt Kantzow die Geschichte ähnlich, doch läßt er den Namen des bösen Amtmanns fort. Es wird aber weiter berichtet, daß der Bauer alle Jahre an den Hof kam ,,und hette grossen Willen zu reden, das er auch offte Werner von den Schulenburgk und den andern Reten furwerffen turfte, so er sahe, das alle Dinck nicht recht zugingen. Und ist sehr alt geworden und zu letzst zu Lanzigk begraben worden, da er auch und sunst nirgentz anders zu legen gewelet hette" Noch mehr ausgeführt und ausgemalt ist die Erzählung z. B. in Rosegartens Pomerania (II, S. 272 f.). Die ganze Stellung Hans Langes erscheint hier noch unglaublicher, und es findet sich in den nicht geringen Resten von Aufzeichnungen über die verschiedensten Amtshandlungen und Regierungsgeschäfte aus den Jahren von etwa 1481 an, in dem erhaltenen Stücke des herzoglichen Geheimbuches, das private Aufzeichnungen enthält, auch nicht die geringste Andeutung, die auf einen solchen Vertrauten des Herzogs hindeutet. Kurz, die ganze Erzählung ist in das Gebiet der Fabel zu verweisen. Aber die Person des Bauern zeigt recht deutlich, in welchen Kreisen die Sage ihren Ursprung hat. Im Volke wurde als Gegenbild zu der bösen Mutter der rechtschaffene brave Bauer erfunden, und es mutet uns so die ganze Erzählung wie eins der alten Märchen an, in denen ja diese Persönlichkeiten fast immer eine bedeutende Rolle spielten und noch Spielen.

Unverkennbar ist auch das Bestreben, bei beiden die Farben immer greller aufzutragen. So wird die böse Mutter, wie wir schon gesehen haben, immer Schwärzer gemalt. Die Sympathie der großen Menge, der das Verständnis für den Streit zwischen Mutter und Sohn abgeht, steht ganz auf der Seite dieses und fleht in ihm nur den unterdrückten und vergewaltigten Erben. So bildet sich die Sage allmählich weiter. In der ersten hochdeutschen Bearbeitung der Chronik kommt für den Regierungsantritt zunächst als neues Moment hinzu, daß der Bauer dem Herzoge den Rat gibt, zu seinem Oheim Wartislaw zu fliehen. Das ist nach der oben mitgetheilten Darstellung Bogislaws unwahr, der erzählt, er sei nach des Vaters Tode mit der Mutter im hinterpommerschen Lande herumgezogen. Wie sich Wartislaw X. anfänglich seinem Reisen gegenüber verhielt, läßt sich nicht nachweisen. Wahrscheinlich aber war seine Haltung ihm gegenüber zunächst nicht sehr entgegenkommend, da er mit seinem Bruder Erich gerade nicht sehr freundlich gestanden hatte. Er hielt sich nach dem Prenzlauer Frieden grollend zurück und war gar nicht damit einverstanden, daß Erich sich, wenn auch widerstrebend, in das Lehnsverhältnis fügte und treu an dem Vertrage festhielt. Bogislaw scheint vor dem Mai 1476 nicht mit dem Oheime zusammengekommen zu sein. Die Behauptung in der zweiten hochdeutschen Bearbeitung, daß die Mutter das Regiment behalten und den Sohn nicht dazu kommen lassen wollte, steht in entschiedenem Widerspruche zu der Urkunde vom 1. Juli 1474 und wieder zu dem eigenen Berichte Bogislaws. Ebenso ist falsch die schon in der ältesten Darstellung erwähnte und dann immer wiederholte Angabe von der Flucht der Mutter nach Danzig. Wir haben gesehen, daß Sophia bis 1476 meist bei dem Sohne weilte und entschieden für ihn eintrat, was bei einem solchen feindlichen Verhältnisse zwischen beiden, wie es Kantzow schildert, ganz undenkbar wäre. Es wird sich noch Später zeigen, welche Tatsache dieser unrichtigen Erzählung zu Grunde liegt.

In der sogenannten Pomerania und den späteren auf ihr beruhenden Chroniken kommt, wie bereits erwähnt ist, der anfangs versteckt, dann immer deutlicher hervortretende Vorwurf ehelicher Untreue der Herzogin hinzu. Die Person des Hans Massow tritt hier hervor und bietet der Sagenbildung reichen Stoff. Dem gegenüber ist urkundlich sicher, daß Hans Massow nicht nur, wie oben berichtet ist, am 1. Juni 1474 im Gefolge Bogislaws sich befindet, sondern auch bei ihm am 17. Januar 1475 in Wolgast, am 23. Januar in Camin, am 6. August 1476 als Vogt in Rügenwalde weilt.25) In dieser Stellung kommt er auch noch 1479 vor. Wie paßt das zu der Behauptung, er sei der eigentliche Anstifter des Widerwillens der Mutter gegen den Sohn gewesen? Daß er der Hofmeister und Berater der Herzogin war, wird später noch erwähnt werden.

Auch hier sehen wir das Unhaltbare der Tradition an verschiedenen Punkten nachgewiesen. Während wir uns aus den nur spärlich erhaltenen urkundlichen Nachrichten ein einigermaßen zusammenhängendes Bild von dem Verlaufe der Ereignisse in den ersten Regierungsjahren Bogislaws machen können, leidet die Erzählung Kantzows an Widersprüchen und Unwahrscheinlichkeiten aller Art.


1)

Thunert a. a. D. S. 379, 382.

2)

Annal. academ. Rosegarten, Gesch. d. Universität Greifswald, II, D. 186.

3)

In den Kantzow Fragmenten aus dem chirographon doetoris Parlebereh (Kantzow ed. Gaebel II, S. XLII). Vgl. Heinemann, Bugenhagens Pomerania, S. XXXV f.

4)

Original im K. St. A. St.: Ducalia No. 255 a. Gedruckt bei Schöttgen u. Kreyssig, III, S. 152 f.
5) K. St. A. St.: Wolg. Arch. Tit. X. No. 2, vol. I, fol. 17.
6) K. St. A. St.: Liber privilegiorum civitatum Pom. I. 28v., 38v., 39v. Von Wollin und Camin sind auch die Originale der herzoglichen Bestätigungsurkunden vorhanden (K. St. A. St.: Dep. St. Wollin No. 40. Dep. St. Camin No. 32).
7) K. St. A. St.: Copiarium III, 47. No. 76.
8) Vgl. Rachfahl a. a. O. S. 290.
10) Gedruckt Monumenta Habsburgica I, 1. S. 439-441.
11) Sophia schreibt: Wy synt eyne frouwe, und unse leve here is in disseme jare in got vorstorven, deme god gnedich und barmhartich sy, und hebben van em nicht mer wen eynen jungen heren van twintich jaren olt boholden und sosz frouweken. Diese Angabe beweist, daß damals die anderen Söhne bereits verstorben waren und daß außer fünf von Kantzow genannten Töchtern noch eine sechste vorhanden war.
12) Vgl. Riedel, Cod. dipl. Brand. C. II, S. 182, 185. B. V. S. 260 f., 283 f., B.VI, S. 157. Priebatsch a. a. O. II, S. 313, 322, 327.
13) W. Brandt, Der Märkische Krieg gegen Sagan u. Pommern. S. 85 f. - In dem bei Riedel (D. I. S. 372) gedruckten Kleistschen Berichte über die pommersche und märkische Handlung und Irrung (vgl. Rachfahl a. a. O. S. 12 f.) heißt es: Nach seinem (d. i. Herzog Erichs) todt hat marggraf Albrecht voltziehung voriger vortreg von wegen empfahung der lehn mit hantgebender trew angehalten und ine jegen Angermünde abn die Elbe verschrieben und bedrungen eine verdracht anzunhemen, die der marggraf nit gerne zceigt, dan der marggraf sagt, wo ehr die verdracht nicht besigelte, szo wolte ehr ine in francken fhuren etc.; szo sol man zu gaste ziehen. Diese Nachricht ist zum Teil irrtümlich, zum Teil unverständlich. Nach dem Prenzlauer Frieden war Bogislaw am 1. August 1479 mit dem Kurfürsten Albrecht in Tangermünde und schloß dort einen Vertrag mit ihm (Priebatsch a. a. O. II, S. 548. v. Raumer, Cod. dipl. Br. II, S. 44). - Ein von Oelrichs erwähnter Bericht über die Händel Bogislaws X. mit dem Markgrafen Albrecht, der in der Wolfenbütteler Bibliothek vorhanden war (vgl. Mohnike, Bartholom. Gastrow I, p. XI), ist nach gütiger Mitteilung des Herrn Oberbibliothekar Geh. Hofrath Prof. Dr. von Heinemann schon seit längerer Zeit abhanden gekommen.
13) Vgl. Priebatsch a. a. O. II, S. 179f.
14) Thunert a. a. O. S. 386. Priebatsch a. a. O. III, S. 291, Anm.
15) Lisch, Maltzahn. Urkunden IV, S. 3 ff.
16) Stavenhagen, Beschreibung der Stadt Anklam, S. 401 f.
17) K. St. A. St.: Ducalia.
18) K. St. A. St.: Dep. St. Stolp. Vgl. Dlugoß XIII, 547.
19) Stolp, brannte am 16. April 1477 fast ganz ab. Vgl. Schöttgen und Kreyssig III, S. 160. Script. rer. Pruss. IV, S. 715. Bugenhagens Pomerania ed. Heinemann S. 162.
20) Die Huldigung in Stolp, fand am 30. Juli 1476 statt. K. St. 21. St.: Dep. St. Stolp No. 34.
21) Thunert a. a. O. S. 408.
22) Becker, Programm des Realprogymnasiums in Schlawe 1878, S. 20, u. K. St. U. St.: Dep. St. Rügenwalde No. 28.
23) Boehmer S. 135 f.
24) K. St. A. St.: Wolg. Arch. Tit. 60a, Nr. 189, Fol. 60. - Dep. St. Camin No. 32. - Dep. St. Rügenwalde No. 28.
25) Kantzow ed. Gaebel II, S. 216. 1, S. 366.