IV. Der Streit des Herzogs mit der Mutter.

>In den nächsten Jahren nach 1476 erfahren wir über die Herzogin Sophia nur ganz wenige Einzelheiten und sind nicht im Stande darzustellen, welchen Anteil sie an den heftigen Kämpfen ihres Sohnes mit Mecklenburg und Brandenburg genommen hat. Es scheint fast, als ob sie sich von denselben ferngehalten und ruhig in Rügenwalde geweilt habe. Nur einige wenige Briefe von ihr sind vorhanden. Am 22. Juni 1477 schenkte sie ihrer Tochter Maria die Dörfer Jarmbow und Codram auf Wollin mit der Mühle auf dem Werder Wollin, damit sie ihren fürstlichen Staat im Kloster Wollin halten könne.1) Maria ist wohl damals in dies Kloster eingetreten, 1481 war sie Äbtissin in Köslin und hatte 1490 dieselbe Würde in Wollin inne. Vom 25. November 1477 und 19. August 1479 sind Briefe Sophias aus Rügenwalde an den Danziger Rat erhalten, in denen sie sich nach der Ankunft des Königs von Polen erkundigt.2) Im April 1478 erschien zum Besuche in Rügenwalde Herzog Magnus von Mecklenburg, der Verlobte ihrer Tochter Sophia, vermutlich zum Abschlusse der Eheverhandlungen.3) Mit dem Brautpaare begab sich dann wohl Sophia nach Anklam, wo am 31. Mai die Hochzeit gefeiert ward. Dort traf sie mit den Herzogen Wartislaw X. und Bogislaw, sowie zahlreichen anderen Fürsten zusammen.4)

>Mitten während des heftigsten Ansturmes der brandenburgischen Schaaren gegen das Schloß Saatzig hat Bogislaw, wie es scheint, ganz vorübergehend am 5. August 1478 in Rügenwalde geweilt.5) Vielleicht war er zu dem Zwecke dorthin geeilt, um seine Mutter zu veranlassen, ihren Einfluß bei dem Könige Kasimir dahin geltend zu machen, daß er die Vermittelung zwischen Pommern und Brandenburg übernahm. Im September erschien ja dann auch Johann Sapiensky als polnischer Gesandter im Feldlager vor Löcknitz und brachte am 28. September einen Waffenstillstand zu Stande.6) Noch einmal am 15. April 1479 ist ein Aufenthalt des Herzogs in Rügenwalde nachweisbar,7) als die Verhandlungen mit dem Kurfürsten Albrecht eifrigst gepflogen wurden. Nach dem Abschlusse des Friedens hielt sich Bogislaw wieder in Rügenwalde auf, wo er am 29. September 1479 die Osten belehnte.8) Es ist wohl sicher anzunehmen, daß er bei diesen Besuchen wiederholt mit seiner Mutter, die ja auf dem dortigen Schlosse wohnte, zusammenkam. Nähere Nachrichten fehlen leider ganz.

Nach dem Prenzlauer Frieden, der den Streit zu einem für Pommern ungünstigen Abschlusse brachte, wandte sich der Herzog mit großem Eifer der inneren Verwaltung seines Landes zu. Er suchte vor allem die Finanzen zu ordnen9) und die verlorenen Einnahmen und Rechte des Fürsten wiederzugewinnen. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit auch auf den Schatz an Gold, Silber, Tafelgeräten und Kleinodien, den die Herzogin Sophia aus dem Erbe des Königs Erich und ihres Gatten besaß. Über denselben liefen wohl schon damals ganz gewaltig übertreibende Angaben um, die dann später noch erheblich gesteigert sind, so daß sie keinen Glauben verdienen. In dieser Zeit bat vielleicht die Herzogin den Sohn, ihr Einkommen zu erhöhen, und Bogislaw forderte dagegen die Auslieferung des herzoglichen Schatzes. In einem Briefe vom 13. Dezember 1479 erwähnt Sophia eine bevorstehende Zusammenkunft mit dem Sohne. Sie weilte am 29. Dezember, sowie am 20. Januar und 23. März 1480 in Rügenwalde.10) Sie muß aber in dieser Zeit mit dem Herzoge in Treptow zusammengetroffen sein, wo über die Angelegenheit verhandelt wurde. In einer etwa aus dem Jahre 1483 stammenden Klageschrift 11) schreibt Bogislaw: "Ock heft ere leve uns sulvest tho Treptow in jegenwerdicheit veler unser redere togesecht, densulven schatt nicht van uns und unsen landen tobringende, sunder den up unse und unser lande beste tovorwarende, und wenn wy des behuff hadden, scholde ere leve sunder weigeringe uns den vorandtwerden, also dat dhone sulvest bodedinget und bospraken wart, dess wy uns theen ahn de redere, de daraver weren." Auf diese Zusammenkunft in Treptow bezieht sich vermutlich die in einem Memorialbuche des Herzogs erhaltene Bemerkung: 12) Item des sondages na trium regum schal myn gn. h. wesen tho Belbuck und myne gn. frowe Sophia schal wesen to Treptow, und denne scholen dar ock wesen her Hinrik Borke, Merten Zitzewitz und de Kenzler und segghen dar ere witlicheyt, wo se mynen hern und myne gn. frowe entwey ghespraken hebben, und wes se den ens werden, dat schal men vorbreven, dat men des nicht mer dedingen darf. Diese Notiz gehört - ganz deutlich ist die chronologische Anordnung nicht -, wie es scheint, in das Jahr 1481, wozu auch die Nachricht paßt, daß am 6. Januar dieses Jahres der Herzog zu Greifenberg mit den Treptowern verhandeln will. Nach der Klageschrift dagegen muß die Verhandlung zu Treptow vor dem gleich zu erwähnenden Besuche des Herzogs in Rügenwalde, der genau auf den 30. Mai 1480 datiert ist, stattgefunden haben. Vielleicht liegt hier ein Irrtum der herzoglichen Kanzlei vor. Von besonderer Wichtigkeit ist übrigens die Sache nicht.

In der Schrift des Herzogs heißt es weiter: "Und sint darup tho erer leven gereden beth tho Rugenwolde, da men schreff imme achtigesten jare unses heren des dingestages nha trinitatis (30. Mai), und wolden solckenen schat und klenode bosehen und weten, wor de weren. Dar uns ere leve to andtwerdede, dat sodan schath und klenode uns efte unsen landen nicht afhendich kamen scholde, men wolde uns und unsen landen den toloven und truwen wol bewaren. Wenn wy des ock noth hadden, wolde ere leve uns den gerne vorandtwerden. Dar ock ahn und aver weren unse leve gemhal, unse leve suster froichen Caterina, greve Albrecht van Newgarden, her Hinrick Borcke, her Kersten Fleminck riddere, Werner van der Schulenborch und Berndt Moltzan. Auch in dem späteren an den König von Polen gerichteten Schreiben wird berichtet: Unse redere hebben tuschen erer leven und uns gededinget und bespraken, dat desse clenode und schat tip anders nemandes wen up unse und unser lande behuf ligen scholen. Auf diese Verhandlungen beziehen sich auch zwei Briefe der Herzogin, die sie am 15. Mai und 26. Juni an ihren Schwiegersohn, den Herzog Magnus von Mecklenburg, richtete. Sie dankt ihm für die Nachricht, daß er es inbostanth gebracht heft mith hertoch Bugheslave, bittet um Nachricht, wie dessen Gattin sich zu ihrer Angelegenheit verhalte, und meldet von einer Zusammenkunft mit dem Sohne.13) Mit den Abmachungen in Treptow und Rügenwalde war der Handel wohl zunächst beendet. Doch hielt sich Bogislaw seitdem längere Zeit von Rügenwalde fern. Er ist nach dem 3. Juni 1480 über zwei Jahre dort nicht nachweisbar, so daß Tatsächlich eine Entfremdung zwischen ihm und der Mutter eingetreten zu sein scheint.

Von Sophia sind aus dieser Zeit mehrere Briefe namentlich an Danzig erhalten. Am 29. August 1480 schreibt sie von ihrem Mühlenhofe zu Stolp an den Danziger Rat in einer Angelegenheit ihres Amtmannes Hans Strate, am 9. September bittet sie denselben, die Schuldforderung des Klaus Swochow zu erledigen.14) Wegen einer Streitsache ihres Dieners Jarslaf Stojentin wendet sie sich am 11. November an den Herzog Magnus von Mecklenburg15) und berichtet am 12. Dezember nach Danzig, daß einige Mannen im Stettiner Lande der Stadt Fehde ansagen wollen.16) Alle diese Schreiben sind von Rügenwalde datiert. Im folgenden Jahre lehnt sie am 24. Februar die Einladung ihres mecklenburgischen Schwiegersohnes zu Fastnacht ab.17) Es zeigt auch dieser Brief, daß die Herzogin mit ihren Angehörigen in gutem, freundlichem Einvernehmen stand. Vom 19. Juni stammt wieder ein Schreiben von ihr aus Rügenwalde an den Danziger Rat. Ebenso beglaubigt sie am 15. April 1482 den Lauenburger Vogt Tammo von Schöning zu einer Verhandlung mit dem Rate.18)

Damals aber war schon wieder das Verhältnis zu Bogislaw gestört. Es ist hier schwer zu sagen, auf wessen Seite die Schuld liegt, da uns nur die Klageschrift des Herzogs vorliegt, aber jedes Material fehlt, um die Anklage auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Im wesentlichen sind es drei Punkte, die gegen die Herzogin vorgebracht werden.19) sie habe nach des Herzogs Erich Tode, als sie das Schloß Wolgast innehatte, zwei der besten dazu gehörigen Dörfer (Stilow und Gustebin) ohne Genehmigung des Herzogs verpfändet, auf sein Begehren versprochen, sie wieder einzulösen, dies aber bis jetzt nicht getan. Sie habe ferner ihrer 1480 gemachten Zusage zuwider den herzoglichen Schatz und die Kleinodien nicht herausgegeben, vielmehr denselben in eigenem Nutzen zum Teil verbracht, "dath wy edder de menen redere des landes nicht wethen, wor de gebleven is. Des ere leve doch nicht mechtich weset, also ene de unsen mit grotem eventure eres lives und gudes in disse unse landt gebracht hebben, ock densulven und anderen unsen rederen togesecht is dorch unsen heren vader seliger dechtnisse und ere leve, dat solcken schat ane redere, manne und stede weten und willen nicht angetastet edder wech gebracht scholde werden." Schließlich habe sie in dem Lande Rügenwalde, das ihr auf Schloßglauben übergeben sei, viele Rechte und Einkünfte, die der Herrschaft gehören, verpfändet und weggebracht. So seien von ihr ein Lachsfang bei Stolpmünde dem Rate zu Stolp und die Einkünfte in Salleske, Sorkow und Kusserow an Hans Ramel verpfändet. Auch hätten viele Schulzen in den Dörfern für die Herzogin Geld auf Renten aufnehmen lassen.

Von Verhandlungen mit ihrem Sohne zu Stettin schreibt Sophia schon am 9. Mai 1482 an ihren Schwiegersohn, den Herzog Magnus.20) Bald danach sandte sie ihren Vertrauten, den Augustinermönch Kaspar Wittenberg, der wahrscheinlich dem Kloster Marienkron bei Rügenwalde angehörte, an die Kurfürstin Witwe Margaretha von Sachsen mit der bitte, daß diese ihre Söhne, den Kurfürsten Ernst und den Herzog Albrecht, veranlasse, in den Irrungen mit ihrem Sohne Bogislaw die Vermittelung zu übernehmen. Die Sächsischen Herren antworteten am 11. September ihrer Mutter auf die ihnen vorgetragene Bitte, man müsse erst bei der Herzogin oder ihrem Gesandten Erkundigung einziehen, "uf was grund und meynung wir die sachen solten handeln lassen"; alsdann Seien sie bereit, Räte zu Verhandlungen abzufertigen.21) Es scheint jedoch aus dieser Vermittlung nichts geworden zu sein, wenigstens fehlt jede Nachricht darüber.

Im Anfange des Jahres 1483 hielt sich Herzog Bogislaw wieder längere Zeit (Januar bis April) in Rügenwalde auf, gewiß mit der Absicht, die Streitigkeiten mit der Mutter beizulegen. Damals mag die schon wiederholt erwähnte Klageschrift (dit is dath seggent, dat wy hebben tho unser leven frowen moder, frowen Sophien) abgefaßt sein. Es kam wirklich am 18. März ein Vertrag zu Stande. In der darüber aufgesetzten Urkunde verzichtet die Herzogin zu Gunsten ihres Sohnes abermals auf alle Ansprüche an das Land Pommern und das ihr von ihrem Gemahle verschriebene Leibgedinge, erhält aber auf Lebenszeit Schloß und Stadt Usedom mit Zubehör, ein neu zu erbauendes Haus zu Wollin nebst 1000 Gulden jährlicher Rente aus einzeln aufgeführten Besitzungen. Sie verspricht zugleich treu zu dem Lande zu halten.22) Die Gegenurkunde des Herzogs, die dieser selbst erwähnt, scheint nicht erhalten zu sein. Merkwürdiger Weise enthält der Vertrag kein Wort über den Schatz und die Kleinodien, die doch einen Hauptgegenstand des Streites gebildet hatten. Es ist möglich, daß ein Teil schon freiwillig vorher zurückgegeben war, ein Teil aber befand sich noch später im Besitze der Herzogin, wie aus der gleich zu erwähnenden Schrift hervorgeht. Die Rückgabe des Landes Rügenwalde und der anderen Besitzungen erreichte Bogislaw auf Grund der Bestimmungen des Vertrages von 1475 (S. 154). In der etwa 1484 abgefaßten Denkschrift, die Bogislaw an den König von Polen richtete, wird diese Verhandlung, wie folgt, dargestellt: "So heft uns mennigerleyge notsake darto gebracht, dat wy de stede und slote (d. i. Rügenwalde, Stolp und Schlawe) van unser leven frowe moder hebben moten wedder innemen. Unse frowe moder hadde fogede und knechte up den sulven sloten, de unse lant myt rove, morde und viande mennichfaldigen bescheddegeden unvorschulden, unvorclaget und sunder jenigerley rechtes forderunge, und deden dat von den sloten, de wy unser frowe moder ingedan hedden und dar wedder up. Ock nam ere leve fromede denstlude up, nemliken Nickel Wilken und andere, de in unse stadt Rugenwolde posten slogen unsen armen luden und undersaten to verdruckinghe. Item so vorkofte unse frowe moder de pechte und jarlike upboringhe, de to den sloten boleghen weren. Ock heft se vorbracht, versettet und vorpandet alle unse tafelsmyde, dat unse her vader plach to hebbende, myt anderen clenoden und redem golde, dat unse her vader up uns ervede. Ere leve mach idt ock in enem dele noch wol by sick hebben, dat bether was samentliken up dat ringeste geachtet wen hundertdusent gulden.

Ume desse orsake willen, wo vorgescreven is, hebbe wy unser herschop und lande notroft und beste anghesen und hebben na ripem rade unser gemenen redere, prelaten, heren, mannen und stede unse slote und stede Rugenwolde, Stolp und Slawe myt eren tobehoringen van erer leven wedder geesschet und inghenamen in maten, wo wy idt erer leven to slotloven geandwerdet hadden. So hebbe wy darna ere leve wedder myt lifgedinghe vorsorget na erem egenen willen und bede und mer jarlike tynsere gemaket in den redesten boringen unser lande, wen se an den vorscreven stederen und sloten hadde, dat witlik is, de wy erer leven ock rowesam sunder jenigerley vorhinderinge bruken laten und sinth deshalven myt erer leven to enem gantzen vulkamenen ende entrichtet und geflegen na lude eres versegelden breves, den uns ere leve daraver geven heft und wy erer leven sulkeren wedderumme, In der gleichzeitigen lateinischen Fassung des Berichtes wird noch ganz besonders hervorgehoben, daß die Herzogin mit diesen Einkünften ohne jeden Vorbehalt (nulla actione aut impeticione contra nos sibi reservata) vollkommen zufrieden gewesen sei.

Tatsächlich scheint Sophia anfänglich sich in den ihr wohl nicht ohne Zwang abgenötigten Vertrag gefügt zu haben. Am 10. Mai 1483 hält sie sich bereits in ihrem neuen Wohnsitze Wollin auf, macht allerdings bei den Verwesern der Nikolaikirche sofort eine Anleihe von 100 Mark Finkenaugen.23)

Wenige Monate aber später finden wir die Herzogin in Marienburg, von wo sie am 17. August beim Danziger Rate den uns schon bekannten Ritter Hans Massow und ihren Kapellan Nikolaus Tille zu einer Verhandlung mit demselben beglaubigt.24) Der Streit ist von neuem im vollen Gange, und Sophia ist sogar außer Landes gegangen, um Hilfe und Beistand gegen das Verfahren ihres Sohnes zu suchen. Wieder wissen wir nicht bestimmt, was den Anlaß zu diesem heftiger als zuvor ausgebrochenen Zwiste gegeben hat. Es ist zweifelhaft, ob Sophia nicht zufrieden mit dem, was ihr in dem Vertrage vom 18. März zugesprochen war, neue Forderungen an Bogislaw stellte, oder ob dieser seine Zusagen nicht gehalten hat und der Mutter die verbrieften Einkünfte vorenthielt. Es fehlt uns abermals jede Äußerung über den Streit von Sophias Seite, und wir dürfen doch nicht allein nach der einseitigen Darstellung des Herzogs die Sache beurteilen. Daß er mit großer Rücksichtslosigkeit gegen die Mutter vorging und deshalb auch bei den Zeitgenossen, unter denen die Angelegenheit großes Aufsehen erregte, keinen Beifall fand, geht aus einer Äußerung des Kurfürsten Albrecht Achilles deutlich genug hervor.25) Derselbe richtete am 10. Dezember 1483 an seine Nichte Margaretha, Bogislaws Gemahlin, einen Brief, in dem er sie warnt, ihren Gemahl zu Eigen- und Widerwillen zu bringen. "Laßt euch witzigen, schreibt er, seiner Mutter Sach. So er den Kopf strecket zu Widerwillen euch zu wesen, so dorft er es thun und bedächt wenig den Nachklang". In diesen Worten spricht sich gewiß ein Urteil aus, das nicht gerade sonderlich zu Bogislaws Gunsten lautet.

Zunächst aber war der Herzog aufs höchste empört, als er erfuhr, die Mutter suche außerhalb des Landes Zuflucht. Es erregte ihn wohl kaum das peinliche Aufsehen, das diese Tat überall machen mußte, in so hohem Grade, als die Besorgnis vor einer Intervention Polens oder gar vor dem Verluste der polnischen Freundschaft. Denn beim Könige Kasimir fand Sophia tatsächliche Unterstützung, deren sie auch dringend bedurfte, da Bogislaw alle Einkünfte derselben zurückhielt. Deshalb wies der König bereits 1483 den Danziger Rat an, 1000 Mark, welche die Stadt an ihn zu entrichten hatte, durch Hans Massow an die Herzogin von Pommern zu zahlen.26) Auch später noch hat sie von ihm Geldunterstützung empfangen.27)

Trotzdem mußte sie bei dem Spital von St. Elisabeth zu Danzig, in dem der König ihr eine Wohnung einzuräumen befahl, einige Kleinodien versetzen, die sie erst im Jahre 1487 wieder einlösen konnte. Sie fand in der Stadt besonders freundliche Aufnahme bei dem Bürgermeister Georg Bock, der mit seiner Familie sich der Fürstin herzlich annahm.28)

Nur einzelne Nachrichten ermöglichen uns, den Verlauf des sich mehrere Jahre hinziehenden Streites zu verfolgen. Natürlich fanden sich Vermittler, um den leidigen Zwist zwischen Mutter und Sohn beizulegen. So verhandelte deswegen Herzog Magnus von Mecklenburg mit seinem Schwager Bogislaw und meldete am 1. April 1484 der Herzogin, er habe den Eindruck, daß der Herzog, wenn sie sich wieder in sein Land verfügen wolle, sich wie ein rechter Sohn verhalten würde.29) König Kasimir schickte in dieser Zeit zweimal Gesandte an den Pommernherzog. Das erste Mal ward der schon erwähnte Johann Sapiensky beauftragt, den Fürsten zur Nachgiebigkeit gegen die Mutter zu veranlassen. Später erhielt Nikolaus Kotzeke, Propst von Leslau, denselben Auftrag. Damals ließ Bogislaw die ausführliche Denkschrift über den ganzen Streit verfassen, aus der schon manche Einzelheiten mitgeteilt sind. Sie liegt, wie auch bereits erwähnt, in niederdeutscher und zum Teil in lateinischer Sprache vor30) Bogislaw behauptet in derselben zunächst, "wy wosten myt unser leven frowe moder nenerley twidracht edder unwillen, sunder alle leve, die tusschen moder und sone gehort to synde. Und eft wy jenigerleye twedracht gehadt hadden, der weren wy gruntliken und all mit erer leven to enem vullkamenen ende gerichtet, des wy uns then to breven und seghele, de unse gemenen redere, prelaten, heren, mannen und stede unser lande tusschen uns gededinget, bogrepen und gemaket hebben. Baven dat alle wolde wy uns gebillik und geborlik jegen unse leve frowe moder holden, also enem sone jegen sine moder wol themet." Alsdann werden die früheren Streitigkeiten mit den Worten erzählt, die bereits mitgeteilt sind. Dabei bittet der Herzog den König, er möge die Herzogin anhalten, daß sie die unrechtmäßig an sich genommenen Kleinodien, Gold, Tafelgeschmeide u. s. w. herausgäbe, damit sein väterliches Erbe nicht so jämmerlich verkäme. Vor allem aber verlangt er, daß die Mutter wieder in sein Land komme. "Wy wolde se to uns in unse egene hus nemen und se holden, also unser leven frowe moder wol temede. Wolde ere leve ock by uns in unsem huse nicht blyven und konde se myt den tynseren und renten, de wy er vormerket hadden, nicht tokamen, so wolde wy erer leven na rade unser redere so vele to dem, dat se itzund heft, vorwisen und vormaken, dat ere leve to reddeliker wise mede tokamen konde, also ener hertogynnen tho Stetin und Pameren etc. wol themet, des sint wy noch averbodich. Und bidden vorbat, Juwe kon. Mai. wille unse leve frowe moder underwisen und dar to holden, dat se wedder to uns kame und sulket van uns upneme, wen wy weten werliken nicht, wat nothsake se drenget heft, dat se ut unsen landen getagen is und uns unschuldig so jegen I. k. M. verklaget."

Verhandlungen fanden auch 1485 statt, bei denen der Danziger Rat auf Befehl des Königs der Herzogin zwei Ratsherren zum Beistande gab.31) Dieselben fanden in Danzig Statt. Herzog Bogislaw sandte dazu als Bevollmächtigte den Grafen Albrecht von Eberstein und Dr. Nikolaus Kruse. Ein Ergebnis wurde nicht erzielt. Allerdings scheint Sophia ganz vorübergehend nach Pommern gekommen zu sein. sie ist am 29. Juni 1485 in Stolp nachweisbar.32)

Am 17. August fanden sich dort bei dem Herzoge preußische Gesandte ein und stellten ihm vor, er möge das Elend, in welchem sich seine Mutter befinde, bedenken und ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen. Bogislaw erinnerte an die Verhandlungen, die ohne Erfolg in Danzig geführt seien, und wiederholte seine schon einmal dem Könige von Polen gegebene Zusage, daß er seine Mutter nach Gebühr versorgen werde, wenn sie nach Pommern zurückkehre.33)

Noch in demselben Jahre aber kamen die Verhandlungen endlich zu einem Abschlusse. Sie wurden in Stolp geführt. Bogislaw bevollmächtigte am 13. Oktober die Doctoren Nikolaus Kruse und Bernhard Rohr, mit dem Danziger Rate, der Sophias Sache vertrat, zu unterhandeln.34) So ward denn schliesslich am 13. November 1485 ein Vertrag angenommen. Die Urkunde des Herzogs ist im Original erhalten,35) während die Gegenurkunde der Herzogin fehlt. Bogislaw bekundet, daß er sich mit seiner Mutter umme alle schelinge und twedracht, die er mit ihr hatte, verglichen habe, und überweist ihr vor ehre frowliche gerechticheit, lifgedink und gerechticheit, de ehre leve vormende to dem lande to Pamern to hebbende, 1000 Gulden jährliche Einkünfte aus den Mühlen zu Stolp, dem dortigen Mühlenhofe, der Fischerei auf dem Leba-, Gardescheu und Dolgen-See, Sowie 500 alte preußische Mark aus der Vogtei zu Lauenburg. Sollte der Herzog diese verlieren, So werden ihr die Mühlen zu Stargard und 500 Gulden aus der Orbare von Stettin zugesagt. Außerdem erhält sie die Mühlen vor Schlawe, das Ablager der Propstei Stolp und von Zezenow,36) die Pacht in den Dörfern Sageritz, Groß- und Klein-Brüskow und Buckow, Sowie Brenn- und Bauholz, ferner die Kirchenlehn in der Altstadt Stolp und in Sageritz. Dafür verzichtet sie auf alle Rechte in den Landen Stolp, Schlawe, Lauenburg, Rügenwalde u. a. und entsagt sich aller Ansprüche an das Land Pommern und an das ihr vom Herzoge Erich oder auch von Bogislaw verschriebene Leibgedinge. Auch soll alles, was in dieser Sache vom Herzoge, seinen Dienern und Knechten unternommen ist, ungültig und vergeben sein. Der Vertrag ist beglaubigt von einer großen Zahl von Edelleuten, namentlich aus Hinterpommern, wie Angehörigen der Familien von Below, Podewils, Stojentin, Natzmer, Tessentin, Ramel, Kleist u. a. Von dem herzoglichen Schatze ist wieder nicht die Rede.

Betrachten wir nun das, was der Herzogin in dem Vertrage übergeben wird, so erkennen wir, daß es fast dasselbe ist, was ihr einst im Oktober 1475 zugesprochen, dann aber 1483 wieder abgenommen wurde. Sie hat also unzweifelhaft in dem Kampfe einen Sieg davongetragen. Wegen der Abmachung von 1483 brach der Streit aus, und nun sind im wesentlichen die einstigen Bestimmungen wiederhergestellt, wenn auch Sophia auf manche Rechte verzichtet hat. Das sieht doch wahrlich nicht so aus, als ob sie vollkommen im Unrechte gewesen wäre und nach Besitzungen und Rechten gestrebt hätte, die ihr nicht zukamen. Es ist wohl deutlich erkennbar, daß Bogislaw mit einer Rücksichtslosigkeit ohne Gleichen gegen die Mutter vorging, so daß er es schliesslich sein mußte, der nachgab. Die Schuld an dem häßlichen Streit scheint, so weit wir zu urteilen vermögen, weit mehr auf des Sohnes Seite zu sein. Gewiß mag auch Sophia nicht gerade sehr geneigt zum Nachgeben gewesen sein, aber der starre Sinn des Fürsten, der nichts, was er einmal in den Händen hatte, wieder herausgab und alles, was der Herrschaft verloren war, auf jede Weise wiederzugewinnen bestrebt war, zeigte sich der Mutter gegenüber nicht weniger, als einige Jahre später seiner ersten Gattin wegen dem brandenburgischen Herrscherhause gegenüber. Auch sie wurde ein Opfer der kalten, allein auf den Nutzen ausgehenden Politik, die Bogislaw stets betrieb. Dieser abstoßende Kampf des Sohnes gegen die Mutter um das ihr zukommende Leibgedinge ist, wie schon wiederholt hervorgehoben, vom Volke nicht verstanden und umgebildet oder vielleicht auch von dem Chronisten, der "durchglüht von patriotischem Eifer, im Interesse seiner Herzoge" schreibt, noch zu Gunsten seines Herrn gefärbt. Bugenhagen verschweigt den bösen Handel ganz, Kantzow stellt ihn so dar, wie er in der Tradition des Volkes erzählt ward. Aus den feststehenden Nachrichten erkennen wir den Kern, an den die Sage sich angesetzt hat. Die Herzogin ist nach Danzig geflohen, aber nicht gleich nach dem Tode ihres Gatten, getrieben vom Schuldbewußtsein vor dem zurückgedrängten Sohne, nein, sie hat fast 10 Jahre später vor der rücksichtslosen Gewalttat desselben Schutz und Hilfe im Auslande gesucht und auch gefunden. Einer ihrer Begleiter war Hans von Massow. Daraus hat die Volkserzählung, der für die Mutter nichts abscheulich genug war, ein ehebrecherisches Verhältnis schon bei Lebzeiten des Gatten gemacht. Auch hier sind alle Spuren der Mythenbildung zu erkennen, es ist aber doch noch einigermaßen möglich, Wahrheit und Dichtung zu scheiden.

In den hochdeutschen Bearbeitungen seiner Chronik erwähnt Kantzow richtig den Stolper Vertrag von 1485, aber natürlich so, als ob er ganz allein der hochherzigen Gesinnung Bogislaws zu verdanken wäre.37) ,,Hiernach, heißt es dort, gedachte hertzog Bugslaff an seine mutter und meinte, ob sie wol unbillig gegen ine gewest, das er sie dennoch ehren wolte, und zog in das land zu Pomern und sicherte sie widder zu sich und vertrug sich mit ir und gab ir die stat und das amt Stolp zum Leipgedinge ein." In der Pomerania wird noch weiter ausgeführt, wie Sophia demütig um Verzeihung gebeten habe.


1) Die Urkunde ist bisher nur nach einem Regest von Bohlens bekannt. Das Original hat sich in seinem Nachlasse (im K. St. A. St.) noch nicht auffinden lassen.
2) K. St. A. Danzig: Danz. St. A. XXXIII, Nr. 72a, 81, 1, 2.
3) In dem liber beneficiorum des Klosters Marienkron (Oelrichssche Bibliothek des Joachimsthal. Gymnasiums in Berlin) findet sich folgende Eintragung im Jahre 1478 (p. 70v): Illustrissimus dominus da minus Magnus dux Magnipolensis, dum erat in Rugenwalde circa festum Gregorii, dedit in diversis monetis in valorem unius floreni Renen., petens peragi conventualiter memoriam patris sui, cuius anniversarium erat. Item notarius eius, qui portavit pecuniam, obtulit duobus celebrantibus onilibet 1 sol. Sund. pro votivis.
4) Annal. academ. Rosegarten, Gesch. der Universität Greifswald II, S. 191 f.
5) K. St. U. Danzig: Danz. St. A. XXXIII, Nr. 63.
6) Brandt a. a. O., S. 66.
7) Brief Bogislaws an Herzog Magnus von Mecklenburg d. d. Rügenwalde 1479 April 15 im Großherzogl. Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin.
8) Kratz, Urkundenbuch des Geschlechts von Kleist, I, S. 72.
9) Vgl. M. Spahn, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte Pommerns, 10 ff. Zu Einzelheiten bedürfen Spahns Ausführungen mancher Ergänzungen und Berichtigungen.
10) K. St. A. Danzig: Danz. St. A. XXXIII, Nr. 81, 3; 82; 83, 1, 2.
11) Gedrudt bei Klempin, Diplomat. Beitr., S. 477 ff.
12) K. St. A. St.: Stett. Arch., P. 1, Tit. 100, Nr. 1, Fol. 43.
13) Originale im Geh. und Hauptarchive zu Schwerin.
14) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, Nr. 86, 1, 2.
15) Geh. u. Hauptarchiv zu Schwerin.
16) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, Nr. 91, 1.
17) Geh. u. Hauptarchiv zu Schwerin.
18) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 96, 2; 109, 1.
19) Klempin, Diplom. Beiträge, S. 477 ff.
20) G. Steinhausen, Privatbriefe des deutschen Mittelalters, I, S. 242 f.
21) Priebatsch a. a. O. III, S. 218.
22) K. St. A. St.: Abschrift im cod. dipl. Bogislai (St. A. II, 12) Nr. 11. Erwähnt bei Klempin, Dipl. Beiträge, S. 479. Kratz, Urkundenbuch von Kleist, I, S. 80, Anm.
23) K. St. A. St.: Dep. St. Wollin No. 17.
24) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 112, 2.
25) Priebatsch a. a. O. III, S. 290 f.
26) Erwähnt Script. rer. Pruss. IV, S. 748, Anm. 1.
27) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig III, Nr. 279; 280; 283; 287; XXXIII, 132, 2, 3.
28) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 138, 1, 2.
29) Großh. Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin.
30) K. St. A. St.: Wolg. Arch. Tit. X, Nr. 2, vol. I, Fol. 16-19.
31) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig III, 280, 288.
32) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 132, 1.
33) Vgl. Script. rer. Pruss. IV, S. 748, Anm. 1.
34) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 126, 3.
35) K. St. A. St.: Ducalia Nr. 339. Abschrift im von Bohlenscheu Nachlasse Mfcr. 10, Fol. 10-12.
36) Nicht ohne Interesse ist hier die Abschätzung der Deputatlieferungen. Es werden geachtet: 2 Last Hafer= 14 Gulden, 3 Ochsen = 6 fl., 15 Schafe oder 30 Lämmer = 2½ fl., 18 Tonnen Bier = 9 fl., 3 Seiten Speck = 1½ fl. und ½ Tonne Butter = 2 fl.
37) Krantzow ed. Gaebel I, S. 330. II, S.198. Rosegarten II, S. 198 f.