V. Die letzten Jahre der Herzogin.

Etwa 12 Jahre hat die Herzogin noch gelebt. Nur einige wenige Nachrichten sind aus dieser Zeit über sie erhalten, sie genügen aber, um zu zeigen, daß die alte Fürstin jetzt in Ruhe und Frieden ihre Tage verbringen konnte. Sie stand fortan in gutem Einvernehmen mit ihrem Sohne, wenn auch wohl das Verhältnis kein sehr inniges und herzliches gewesen sein mag. Er hat, soweit sich das aus den erhaltenen Briefen und Urkunden nachweisen läßt, in jenen 12 Jahren bis 1497 nur dreimal vorübergehend Stolp, wo Sophia nun ihren dauernden Wohnsitz hatte, besucht, während er sehr häufig in dem nahen Rügenwalde residierte. Als ein Beweis des Vertrauens aber ist es gewiß anzusehen, wenn Herzog Bogislaw seiner Mutter zu den ihr aus Lauenburg verschriebenen 500 Mark bald auch noch Stadt, Schloß und Vogtei Lauenburg mit allen Einkünften auf Schloßglauben übergab.1) Die darüber ausgestellte Urkunde ist ohne Datum erhalten. Da bis 1486 Tammo von Schöning als Vogt von Lauenburg vorkommt,2) so kann die Übertragung erst nach diesem Jahre, aber wahrscheinlich sehr bald danach, erfolgt sein. Der mit halbjährlicher Kündigungsfrist geschlossene Vertrag scheint nach einigen Jahren aufgehoben zu sein. Am 4. Juli 1492 wird Lorenz von Krockow als Lauenburger Vogt erwähnt.3)

Aus dem Jahre 1486 liegen drei Briefe Sophias an den Danziger Rat vor, von dem sie am 26. September die ihr vom polnischen Könige zu Michaelis angewiesene Summe erbittet. Am 12. Oktober dankt sie für das übersandte Geld.4) Ein sehr ansprechendes, herzliches Schreiben richtet sie am 6. Juli 1487 an den Bürgermeister Georg Bock, in dem sie ihm Vorwürfe macht, daß er bei ihr vorbeigezogen sei, ohne sie zu besuchen, und ihm noch einmal für das viele Gute dankt, das er und seine Hausfrau ihr in Danzig erwiesen hätten. Eine zweite Erinnerung an ihren dortigen Aufenthalt erweckt der Brief vom 27. Dezember 1487, in dem sie den Rat bittet, ihre verpfändeten Kleinodien einzulösen.5) Auch später war noch ein Edelstein im Pfandbesitze des Bürgermeisters Georg Manthey, von dem Herzog Bogislaw am 19. Juli 1502, fast 5 Jahre nach dem Tode der Herzogin, die Auslieferung gegen Erlegung der Pfandsumme verlangte.6)

Immer mehr scheint sich die Fürstin zurückgezogen zu haben, und noch dürftiger werden die Nachrichten. Sie verwendet sich am 6. Mai 1488 bei den mecklenburgischen Herzogen für einen Untertanen 7) und meldet am 22. September desselben Jahres dem Rate in Danzig, daß ein begangenes Verbrechen gesühnt sei.8) Vielleicht auf eine mehr und mehr hervortretende Neigung zur Frömmigkeit kann gedeutet werden, daß sie sich am 26. August 1489 die Anteilnahme an den guten Werken des Predigerordens vom polnischen Ordensprovinzial verleihen ließ.9)

Im Februar 1490 reiste Herzog Bogislaw durch Stolp,10) um in Polen beim König Kasimir um dessen junge Tochter Anna zu werben. Gewiß hat die Mutter die Glück verheißende Verlobung,11) die ja ganz ihren Neigungen entsprechen mußte, mit Freuden begrüßt. Ob sie dann an der Hochzeit, die am 1. Februar 1491 mit allem Glanze zu Stettin gefeiert wurde, teilgenommen hat, ist nicht sicher. Jedenfalls aber gab ihr alter Freund, der König Kasimir, seiner Tochter in der reichen Aussteuer auch als Geschenk für die Herzogin-Mutter eine schwarze, mit Zobel gefütterte Atlas-Schaube mit.12) Bereits aber am 24. Juli 1492 meldete sie ihrem Sohne, daß ihr lieber Herr und Bruder, der König Kasimir13), verstorben sei, teilte ihm aber zugleich mit, daß man in Preußen nur einen Herrn annehmen wolle, der Bütow und Lauenburg wieder an das Land bringe. "Dath wy juw vorthan vorwytliken, dar sick juwe leve mach wethen na to hebbende."14) Zwei Briefe, am 5. September 1492 aus Lauenburg und am 13. November 1493 aus Neuburg an den Danziger Rat gerichtet,15) sind die letzten, die uns von der Fürstin erhalten sind. Ihren Sohn hat sie vielleicht im August 1495 zum letzten Male gesehen, als er mit großem Gefolge nach Konitz ritt.16) Welchen Anteil sie alsdann an den Vorbereitungen zu der großen Auslandsreise des Herzogs nahm, ist unbekannt. Während derselben ist sie um den 24. August 1497 zu Stolp gestorben. Die Herzogin Anna schenkte dem Kloster Marienkron 24 Schillinge, "et lectae sunt V missae pro anima dominae Sophiae, matris principis, quae obiit circa festum Bartholomaei in Stolp".17) Begraben ist sie dort im Dominikanerkloster. Ein Augustinerkloster, wo ihr Kantzow die Begräbnisstätte zuweist, gab es dort nicht, deshalb hat schon Klempzen richtig im Manuskripte der zweiten hochdeutschen Chronik am Rande bemerkt: Dominikaner.18)

Bogislaw erfuhr den Tod seiner Mutter zu Venedig. Er hat dort am 22. November, wie Martin Dalmer erzählt, "auf den morgen in 5. Marcus kirchen seiner fraw mutter leich herrlich begehen und eine köstliche seelmisse singen lassen, dafür er den priestern, so da celebrirten, 10 ducaten gegeben. Und ist alda eine tumba gedeckt gewesen mit einem guldenen stuck, und darauf ist ein gulden creutz gelegt, und der hertzog von Venedig hat hertoch B. acht menner ausz der signorien gesandt, die mit s. f. g. mit dreyen barcken zuhr kirchen gefahren".19)

Unmittelbar nach dem tode Sophias wurde von der Herzogin Anna, die im Namen ihres Gemahls die Regierung führte, eine Commifsion von acht Edelleuten (Lorenz und Hans Stojentin, Georg Kleist, Henning Glasenap, Georg Below, Joachim und Klaus Zitzewitz, Georg Putkamer) beauftragt, durch einen Notar ein Inventar des Nachlasses der verstorbenen Fürstin aufzunehmen. Am 28. August fand in Gegenwart des Ritters Hans Massow, der Jungfrauen der Herzogin, sowie einiger Ratsmänner von Stolp die Aufnahme statt. Das Inventar ist erhalten und schon vor mehreren Jahren gedruckt.20) Der Bestand an Kleinodien, Schmuck- und Wertgegenständen ist ziemlich groß und mannigfaltig. Aus dem alten Schatze stammen vielleicht ein stucke vamme enhorn, ein paternoster van enhorn und parlen, eine guldene krone myt parlen, einige goldene Heiligenbilder, ein gulden klenot, dar is sunte Katherinen bilde in enem glase maket, und ein gulden Gurgen mit enem bretzken (Brosche) u. a. m. Auch ein bokeken von sulvere, dar de passio inne steken is, sowie eine Lade mit Büchern fanden sich vor. Außerdem ist eine Anzahl von Kleidungsstücken, Decken (topte-teppete), Polster (puste), Betten und Wirtschaftsgeräten verzeichnet. Über die Verteilung des Nachlasses fanden, wie es scheint, langwierige Verhandlungen statt. Noch am 11. Juni 1502 lud Bogislaw seine Schwestern, die Herzoginnen Sophia von Mecklenburg und Katharina von Braunschweig, zu einer Beratung wegen der mütterlichen Hinterlassenschaft ein.21) Auch hier scheint der Herzog an dem Grundsatze festgehalten zu haben, das, was er einmal hatte, nicht so leicht aus den Händen zu lassen. Es ist aber wohl bald darauf zu einem Vergleiche gekommen. Wenigstens einigte sich Bogislaw am 2. Juli 1503 mit seiner Schwester, der Äbtissin Maria zu Wollin, vollkommen über das väterliche und mütterliche Erbe.22)

Kantzow berichtet in seinen hochdeutsch abgefaßten Chroniken im wesentlichen richtig, daß die Herzogin sich freundlich gegen ihren Sohn hielt. "Und wan sie ime schreib oder das er zu ir kam, erzeigete sie irne je so grosse ehre und demut, als kaum ein underthan thun mochte, und lebte noch lange jar und starb zu Stolp in guttem alter.23) In der Pomerania ist das natürlich noch weiter ausgeführt und von der Reue der Fürstin die Rede, die sich vor Gott und den Menschen beklaget, daß sie so übel an dem Sohne getan.24)

Nach den urkundlichen Nachrichten erscheint uns die Herzogin Sophia in einem ganz anderen Lichte, als sie uns in den Chroniken entgegentritt. Können wir uns auch aus den einzelnen abgerissenen Notizen nicht ein Bild ihres Charakters und Wesens entwerfen, so tritt doch so viel deutlich hervor, daß sie an dem Konflikte mit dem Sohne keineswegs allein oder auch nur die hauptsächliche Schuld trägt. Auch Kantzows parteiische Darstellung von ihrem Verhältnisse zu dem Gatten ist durchaus nicht über jeden Zweifel erhaben. Gewiß scheint sie eine Frau von energischem, festem Willen gewesen zu sein, die ihrem Sohne, der gerade diese Eigenschaften von ihr geerbt hatte, nicht nachgiebig und sanft gegenübertrat. Sie hielt fest an ihrem Rechte und verteidigte es mit Zähigkeit. So mußte ein Zusammenstoß der beiden gleichartigen Charaktere eintreten, hervorgerufen aber ist er wohl durch den Sohn, der alle Rücksicht gegen die Mutter aus den Augen setzte.

Daß die Erzählung des Volkes sich ganz auf die Seite des Herzogs stellte, der durch die Erfolge seiner Regierung Ruhm und Liebe gewann, ist schon wiederholt hervorgehoben. Es muß aber als Sicher gelten, daß die Darstellung, wie sie Kantzow aufnahm, keinen Glauben verdient und in das Gebiet der Fabel zu verweisen ist. Sie trägt alle Anzeichen der mündlichen Tradition an sich und ist mit den sicher beglaubigten Nachrichten nicht in Einklang zu setzen. Gewiß mag es manchem Freunde pommerscher Geschichte schmerzlich sein, daß die allgemein bekannten Geschichten von Bogislaws Jugend, von dem braven Bauer Hans Lange, von der bösen Mutter und dem Scheitern ihrer argen Pläne nun auch nicht mehr wahr sein sollen. Aber es ist die erste Aufgabe der Geschichtsforschung, mit allen Mitteln ernster Kritik die Wahrheit zu erkunden und den Sagenkranz, der sich um die Geschehnisse gelegt hat, zu beseitigen, mag er auch noch so schön und reich sein. Dabei verlieren die Sagenbildungen keineswegs ihren eigenen Wert. Sie sind ein herrliches Zeugnis von der reichen Phantasie des Volkes, von der ihm innewohnenden, Sagen und Märchen bildenden Kraft. Sie sind ein wertvolles Zeichen der lebhaften Teilnahme, mit der das Volk die mit Geschicke seiner Lieblingshelden begleitet, wie es sich in seinem natürlichen Gefühl der Bedrängten und Verfolgten annimmt im Kampfe gegen Ungerechtigkeit und Bosheit. Und einen um so tieferen Blick lassen uns diese Erzählungen von Bogislaw in das Gemüht des Volkes tun, als sie schon bei seinen Lebzeiten oder gar bald nach seinem Tode entstanden und von und zu Mund weitergetragen sind. Mit welcher Liebe mußte das Volk an diesem Helden hängen, wenn es so von ihm sang und sagte! So sind und bleiben die Sagen von Bogislaw, Hans Lange und Sophia immer ein wertvolles Stück zwar nicht der pommerschen Geschichte, aber der pommerschen Volkskunde.


1) Gedruckt bei Cramer, Gesch. der Lande Lauenburg und Bütow II, S. 73.
2) Vgl. Klempin, Diplomat. Beitr. S. 485.
3) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 164, 1.
4) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 130; 132, 2, 3.
5) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 138, 1, 2.
6) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, ohne Nummer.
7) Großh. Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin.
8) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 151, 1.
9) K. St. A. St.: Ducalia Nr. 336.
10) Vgl. Kratz, Urkundenbuch von Kleist II, S. 10.
11) Vgl. Monumenta medii aevi historica Poloniae II, 2, S. 296 ff.
12) Klempin, Diplom. Beitr. S. 519.
13) Er war bereits am 7. Juni gestorben.
14) Original im K. St. A. St.: Wolg. Arch., Tit. X, Nr. 2, vol. I.
15) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig XXXIII, 165, 2; 169, 1.
16) K. St. A. Danzig: St. A. Danzig LX. D. 59a.
17) Liber beneficiorum fol 80.
18) Kantzow ed. Gaebel I, S. 330. Vgl. Rosegartens Pomerania II, S. 199. - Oelrichs (De Pomeraniae ducum sepulcris p. VIII) läßt die Herzogin Sophia irrtümlich im Kloster Stolp an der Peene begraben sein.
19) ed. Boehmer S. 316.
20) Balt. Stud. XXIX, S. 459-465.
21) Original im Großh. Geh. und Hauptarchive zu Schwerin.
22) K. St. A. St.: St. A. II, 13, Nr. 449, 450.
23) Kantzow ed. Gaebel, I, S. 330. Vgl. II, S. 198.
24) Rosegartens Pomerania II, S. 199.