Pommern wird deutsches Land.

Durch die Züge des Bischofs Otto von Bamberg und durch die Kämpfe Albrechts von Brandenburg und Heinrichs des Löwen war das Wendenland an der Ostsee in Deutschland bekannt geworden; es war gewissermaßen neu entdeckt. Den Bewohnern Westdeutschlands erschien es als ein nicht gerade barbarisches, aber unkultiviertes, durch lange Kriege entvölkertes Land, in das einzuwandern erfolgversprechend sein mochte. Dieser rege werdenden Siedlungs- und Kolonisationswilligkeit nieder- und mitteldeutscher Bauern begegnete von pommerscher Seite her die Erkenntnis, daß die Begünstigung einer deutschen Einwanderung dem Lande außerordentlichen Nutzen bringen würde, zumal von Dänemark oder Polen her eine solche kaum zu erwarten war. Durch die Ausdehnung des brandenburgischen Machtbereiches bis über die Oder war schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und in der folgenden Zeit der deutsche Einfluß immer stärker geworden, und eine nicht geringe Zahl deutscher Ansiedler und Händler war damals bereits in Pommern sesshaft. Neben den dürftigen wendischen Orten entstanden dann im 13. Jahrhundert zuerst gelegentlich, dann immer regelmäßiger Niederlassungen deutscher Bauern, die mit ihren Eisenpflügen das Land in bessere Kultur nahmen, als es die Wenden mit ihren einfachen Geräten bis dahin vermocht hatten. Deutsche Edelleute und Ritter, die auf Abenteuer nach Osten zogen und in Pommern Besitz gewannen, riefen die wertvollen bäuerlichen Mitarbeiter ins Land; dasselbe tat die Kirche, die inzwischen auch Landeigentum erworben hatte und zu dessen Bebauung deutsche Bauern ansiedelte.

Immer planmäßiger entwickelte sich aus diesen Anfängen das große Werk der ostdeutschen Kolonisation. Ein Strom von Einwanderern ergoß sich in das Land, geführt von Unternehmern (Lokatoren), die die Dörfer teils in unmittelbarer Nähe slavischer Niederlassungen, teils auf Neuland, das erst gerodet werden mußte, anlegten, und dann selbst oft das Amt des Dorfschulzen übernahmen. Aus der Altmark, aus Niedersachsen und Westfalen, vom Niederrhein und wohl auch aus Flandern kamen die Einwanderer, und zwar hauptsächlich auf zwei großen Hauptwegen: im Norden über Lübeck und an der Küste entlang, im Süden über Magdeburg. Orts- und Personennamen, die man mitbrachte, auch Volkssitten und Volkstrachten lassen bisweilen heute noch ,die Herkunft der Siedler erkennen; vielfach wurden die vorgefundenen slavischen Orts- und Flurnamen beibehalten. Die slavischen Bewohner gingen zum größten Teil in der neuen Bevölkerung auf oder wurden, sicher oft nicht ohne Gewalt, verdrängt.


Deutsche Landnahme (12. und 13. Jahrhundert).
Die Rückeroberung Pommerns durch die Deutschen vollzog sich auf demselben Wegen, die, als natürlichen Einfallstraßen, schon in urgeschichtlicher Zeit immer wieder benutzt worden waren. Die niedersächsische Kolonisation (mit Lübecker Stadtrecht) erfolgte über Vorpommern und erreichte einerseits an der Küste entlang bis nach Hinterpommern, anderseits durch die Uckermark bis Stargard. Die Mitteldeutsche Kolonisation (mit Magdeburer Recht) nahm ihren Weg über das Land an der unteren Oder und breitete sich von da nach Osten aus. Von der Weichsel her wurden die Länder Lauenburg und Bütow durch den Deutschen Orden (mit Kulmer Recht) besiedelt.

Alls Förderer der Besiedlung, die ja den Grundherren nicht geringe Vorteile brachte, haben in erster Linie die Landesherren zu gelten, vor allem die Herzöge Barnim I. von Pommern-Stettin (t 1278) und sein Vetter Wartislaw III. von Pommern-Demmin (t 1204).

Allein ihre schwierige politische Lage inmitten starker Nachbarn wurde durch das friedliche Werk keineswegs günstiger. Zwar war der dänische Druck seit der Schlacht bei Bornhöved (1227) von ihnen genommen - nur das Fürstentum Rügen, zu dem außer der Insel Vorpommern bis zur Peene gehörte, hielt unter dem Fürsten Wizlaw I. und seinen Nachfolgern an Dänemark fest -, dafür mußten sie aber wenige Jahre später die Lehnshoheit der brandenburgischen Askanier anerkennen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis zu dem mächtigen Nachbarstaat war für die Eindeutschung des Landes, das seit 1204 unter Barnim I. wieder in einer Hand vereint war, vielleicht nicht ungünstig, es war aber eine QueIle unaufhörlicher Machtkämpfe und Streitigkeiten.

Siegel des Herzogs Barnim I. aus dem Jahre 1243.
Staatsarchiv, Stettin.

Mit großem Eifer nahmen sich auch die Bischöfe von Kammin, die erst allmählich feste und ruhige Verhältnisse in ihrer Diözese hatten schaffen können, der Kolonisierung und Germanisierung des Landes an. Der bedeutendste war der aus Thüringen stammende (Graf Hermann von Gleichen (1251-1289), der sich um die Ordnung des Kirchenwesens besonders verdient machte und ein eigenes Stiftsgebiet im Lande Kolberg erwarb. Es entstand damals und später außer dem schon genannten Kolbatz eine größere Zahl von Mönchs- oder Nonnenklöstern des Zisterzienserordens, so in Eldena, Neuenkamp, Hiddensee, Stettin, Wollin, Marienfließ, Kolberg und Köslin, sowie das Prämonstratenserkloster Belbuck. Diese Klöster kamen durch Schenkung oder Kauf oft in den Besitz ausgedehnter Ländereien, zu deren besserer Nutzung sie deutsche Bauern heranzogen. Sie siedelten diese in eigenen Dörfern an, so daß sie zumeist unter recht günstigen Verhältnissen, bei mäßiger Pacht und erträglichen Diensten, leben konnten.


Dom zu Kammin.
Südliches Querschiff und Chor, die ältesten Teile des Domes, aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Auch die großen Ritterorden gründeten einige Ansiedlungen, die zur Urbarmachung des Landes beitrugen, ebenso dieweltlichenGrundherren, die, meist ritterlichen Standes, von den Herzögen oder Bischöfen nach deutschen Lehnrecht mit Landbesitz begabt wurden. Sie setzten ihrerseits Bauern an und gründeten Dörfer nach deutschem Recht, deren Höfe in Erbpacht gegeben wurden.


Taufstein in Altenkirchen auf Rügen, um 1250.
Der Stein gehört zu einer in Pommern ziemlich verbreiteten Gruppe von Arbeiten, die im 13. und 14. Jahrhundert als Fertigwaren aus Gotland eingeführt wurden (Kalkstein).

Neben der bäuerlichen Bevölkerung trug aber auch das deutsche Bürgertum erheblich bei zur Eindeutschung des Landes. Aus den Niederlassungen deutscher Händler und Handwerker entwickelten sich blühende Städte. Die Ansiedlung dieser bürgerlichen Einwanderer war ebenfalls die Sache von Unternehmern, die im Auftrage des Landesherrn, des Bischofs oder einzelner Grundherren handelten und nach einem immer wiederkehrenden Grundplan die Straßen und Plätze der neuen Stadt festlegten, die Grundstücke verteilten und für die ersten Wehranlagen sorgten. Den Abschluß des Vorganges bildete die Verleihung eines deutschen Stadtrechtes, das nach der Herkunft oder Mehrzahl der neuen Bürger meist das lübische oder magdeburgische, seltener das brandenburgische oder kulmische war. So sind in der Zeit von 1234 bis 1299 in Pommern nicht weniger als 34 deutsche Städte entstanden, die sich, mit zahlreichen Freiheiten und Rechten ausgestattet, z. T. ziemlich schnell entwickelten und alle heute noch bestehen. Mauern, Türme und Tore wuchsen aus dem Boden, stolze Rathäuser erhoben sich an den Marktplätzen, stattliche Backsteinkirchen mit hochragenden Dächern und Türmen beschirmten die neue bürgerliche Welt tatenfroher Geschlechter.

So wurde Pommern, das ja altes germanisches Siedlungsgebiet war, nach mehrhundertjährigem wendischem Zwischenspiel im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts wieder ein deutsches Land. Deutsche Bauern und Bürger, deutsche Edelleute, Mönche und Priester nahmen es in ihre starken Hände. Sie brachten ihre Gewohnheiten und Sitten, ihre Sprache und ihre Trachten, ihre Sagen und Märchen mit und legten damit den Grund zu einem pommerschen Volkstum, das bis heute seine Lebenskraft bewiesen hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich in einzelnen Gegenden geringe Reste slavischen Volkstums erhalten haben, so z. B. bei den Kaschuben in Ostpommern, die im übrigen mit dem benachbarten Polen nichts zu tun haben.

Natürlich spielte sich die deutsche Besiedlung Pommerns nicht ohne innere Wirren und äußere politische Verwicklungen ab. Obwohl die pommerschen Herzoge deutsche Reichsfürsten geworden waren, standen sie nach wie vor in Gegensatz zu den brandenburgischen Markgrafen, die immer wieder die Lehnsherrschaft über Pommern beanspruchten. So kam es, daß die Pommernfürsten gelegentlich Anschluß an Polen suchten, ohne aber durch diese Politik dauernde Vorteile zu erlangen. Dagegen konnten der deutsche Ritterorden und Markgraf Waldemar von Brandenburg im Anfange des 14. Jahrhunderts im östlichen Pommern, wo sich das Slaventum noch stärker behauptete, durch Ansiedlung deutscher Bauern und Edelleute und Gründung neuer deutscher Städte (Stolp, Rügenwalde, Schlawe, Lauenburg, Bütow u. a.) dem Deutschtum weitere Gebiete sichern.


Teufelskapitell aus Kolbatz.
Das ehemalige Zisterzienser-Kloster wurde 1173 von dänischen Mönchen gegründet. Die schönen Kalksteinkapitelle, heute im Pommerschen Landesmuseum, wurden im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich in Skandinavien gefertigt.

Eine Schwächung der pommerschen Herzogsmacht erfolgte 1295 durch die Teilung des Landes in die beiden Herzogtümer Stettin und Wolgast, eine verhängnisvolle Abmachung, die zahllose Streitigkeiten und wachsende Vermehrung der Ausgaben zur Folge hatte. Viele landesherrliche Rechte wurden an den Adel und die Städte verkauft oder verpfändet. So schwand die Macht der Herzöge, die insgesamt keine großen Staatsmänner und Kriegshelden waren, zusehends dahin. Der alte Streit mit den Asakaniern in Brandenburg fand mit dem Aussterben des askanischen Hauses zwar ein Ende, doch setzten sich die Reibereien mit den nachfolgenden Wittelsbachern fort, denen gegenüber die Pommern immerhin die Reichsfreiheit erkämpfen konnten (1338). Aber erst 1348 verlieh Kaiser Karl IV. den pommerschen Herzögen ihre Länder zu gesamter Hand und hob die Eventualnachfolge der Brandenburger auf. Wenige Jahre vorher hatten die Pommern auch den Streit um die Nachfolge in dem durch den Tod des Fürsten Wizlaw III. (1325) freigewordenen Fürstentum Rügen, auf das Mecklenburg Anspruch erhob, mit Hilfe der Stadt Greifswald zu ihren Gunsten entschieden.

Mittelalterliche Waffen.
Eiserne Kesselhaube, Schwert und Kettenhemd. - Aus dem Pommerschen Landesmuseum.

Auch auf kirchlichem Gebiet gab es mancherlei Schwierigkeiten. Langwierige Streitigkeiten mußten ausgefochten werden, bis die Kamminer Bischöfe eine feste Abgrenzung ihres Sprengels durchsetzen konnten. Rügen blieb dabei kirchenpolitisch bei dem Roeskilder Erzbistum, Vorpommern jenseits des Rickflusses kam zum Bistum Schwerin, das übrige Pommern mit der Neu- und Uckermark sowie Teilen des östlichen Mecklenburg bildete die Diözese Kammin. Die Bischöfe besaßen zwar eine eigene Landesherrschaft im Lande Kolberg-Köslin, unterstanden aber den Herzögen und waren deren erste Räte. Ihre wiederholten Bemühungen, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen, waren vergeblich.