Ansicht von Pyritz.
Nach dem Stadtbild auf der Pommernkarte des Rostocker Professors Eilhard Lubin, erschienen 1618

Fürst und Bürger im Mittelalter.

Schon vor 1300 schlossen sich einzelne pommersche Städte zum Schutz der Landstraßen und zur Förderung des Handelsverkehrs zusammen. Der Warenaustausch nahm bald zu, begünstigt durch allerlei Freiheiten, die die Landesherren den Gemeinden verliehen. Auch der Seehandel entwickelte sich. In den größeren Orten (Stralsund, Greifswald, Stettin u. a.) taten sich Handelsgesellschaften zusammen und errichteten auf Grund von Privilegien besonders in Dänemark Niederlassungen für den Heringshandel. So entstand schließlich durch weiteren Zusammenschluß kleinerer Stadtverbände unter Führung des mächtigen Lübeck die Hanse, ein loser Städtebund, der vornehmlich dem Schutze des deutschen Kaufmanns im Auslande diente. Aber das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und der starken Macht, die man darstellte, hob das Selbstgefühl der Bürgerschaften, die vielfach im Lande zu erfolgreichen Gegenspielern der schwachen und verarmten Landesfürsten wurden.


Mühlentor in Stargard.

Diese vermehrten in fast unverständlicher Kurzsichtigkeit die Freiheiten und Rechte der Gemeinden, die infolgedessen immer unabhängiger wurden und mit Selbstverwaltung, eigener Gerichtsbarkeit und gewissen Zollfreiheiten, mit festen Mauern, Toren und Türmen kleine, aber nicht zu unterschätzende Machtgebilde darstellten.


Rathaus und Nikolaikirche in Stralsund.
Lithographie von L. Sanne u. Co. in Stettin.

Auch kleinere pommersche Städte, die nicht unmittelbar Seehandel trieben, schlossen sich dem großen Bunde an, um seine Rechte und Freiheiten zu genießen. Am mächtigsten standen damals Stralsund, Greifswald und Stettin da, die denn auch bei dem schweren Kampf mit König Waldemar IV. von Dänemark, in den die Hanse um 1300 verwickelt wurde und den der für Dänemark unglückliche Friede von Stralsund (1370) beendete, erfolgreich auftreten konnten und dem Bunde eine einflußreiche Stellung im Ostseegebiete erwerben halfen.

So bedeutet das 14. Jahrhundert die Blütezeit des pommerschen Städtewesens im Mittelalter. Das äußere Bild der Städte entwickelte sich weiter, neben stattlichen Kirchen und Rathäusern entstanden steinerne Bürgerhäuser, Hospitäler und Klöster, besonders der Bettelmönchsorden der Augustiner, Franziskaner und Dominikaner. Es war die große Zeit des Backsteinbaues, der sich nach eigenen Gesetzen hier in Norddeutschland eine besondere Kunstweise schuf. Auch die Entwicklung des Stadtrechts ging in den pommerschen Kolonialstädten mit der Zeit eigene Wege, es paßte sich durch zahlreiche Rechtssprüche und die jährlichen "Burspraken" den neuen Verhältnissen an. Ein eigentliches Patriziat, das dem Rat der Städte regelmäßig die Mitglieder gestellt hätte, hat sich in Pommern nicht herausgebildet, wenn auch in einzelnen Fällen mächtige Bürgergeschlechter für die Betzung der Ratsherrenstellen durch Familienmitglieder zu sorgen verstanden. Solch Verfahren begegnete aber schon im 14. Jahrhundert dem Widerstand der übrigen Bürgerschaft, und die Geschichte mancher pommerschen Stadt berichtet von Revolutionen und blutigen Aufständen. Die Handwerkerzünfte spielten dabei eine besondere Rolle und konnten hier und da bereits Einfluß auf die Stadtverwaltung gewinnen.

Kann man also wohl feststellen, daß das Leben in den pommerschen Städten im 14./15. Jahrhundert einen starken Aufschwung genommen hat, so darf man doch nicht vergessen, daß es sich um ein Kolonialland handelte. Die Verhältnisse waren ganz allgemein hier einfacher und bescheidener als im Süden und Westen Deutschlands, wo bereits eine Jahrhunderte alte Kultur zu Hause war. Die hygienischen Einrichtungen waren sehr dürftig; Straßenpflasterung, Reinigung, Feuersicherheit u. a. lagen noch in den Anfängen. Besonders die Lebensweise auf dem Lande, in den Dörfern und auch auf den Edelsitzen, war recht ärmlich. Immerhin lebte der deutsche Bauer besser als der wendische, neben dessen kümmerlichen Orten saubere Dörfer entstanden waren, mit je nach der Herkunft der Bewohner verschieden angelegten Bauernhöfen. Auch die Abgaben, die der Bauer an die geistlichen oder weltlichen Grundherren zu zahlen hatte, waren erträglich.

Ganz im Gegensatz zu der zielbewußten und klaren Politik der Städte und des Städtebundes stand das Verhalten der pommerschen Herzöge, vor allem gegen Ende des Mittelalters. Während an der Spitze der Städte meist tatkräftige und stolze Männer standen, die rücksichtslos die Lebensbedürfnisse ihrer Gemeinden verteidigten und ihre ganze Person für das Gedeihen ihrer Vaterstadt einsetzten (wie z. B. die Bürgermeister Bertram und Wulf Wulflam in Stralsund und Heinrich Rubenow in Greifswald, dem die Gründung unserer Landesuniversität 1456 zu danken ist), spielten die Männer aus dem Greifenhause politisch zumeist eine klägliche Rolle. Ihre Macht und ihr Ansehen waren durch innere Streitigkeiten zwischen den einzelnen Familienzweigen geschwächt, und dementsprechend war auch ihre Haltung gegenüber den Nachbarstaaten (Polen, Dänemark, Schweden, Brandenburg) unsicher und schwankend.


Universität Greifswald
Vorderansicht des Hauptgebäudes, errichtet 1750.

In aufreibenden Kleinkämpfen mit ihren Nachbarn und mit den Städten verzehrten die Teilfürsten ihre geringen Kräfte, ja, sie beteiligten sich gelegentlich mit dem fehdelustigen Adel an allerlei Raubzügen. Landesverwaltung und Gerichtsbarkeit gerieten unter diesen Verhältnissen in Verwirrung; die macht der Stände wuchs. So bietet die politische Geschichte Pommerns in dieser Zeit ein wenig erfreuliches Schauspiel. Auch als der Herzog Erich I. nach dem Tode der nordischen Unionskönigin Margaretha (1412) König der drei Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen wurde, verstand er es nicht, seine Herrschaft dort zu behaupten. Sie nahm ein unrühmliches Ende, und Erich starb 1459 in Rügenwalde einsam und verlassen.

Der alte Gegensatz zu Brandenburg trat erneut hervor, als die hohenzollernschen Kurfürsten zu Anfang des 15. Jahrhunderts ihren Anspruch auf Lehnsoberhoheit über Pommern wieder anmeldeten. Es kam zu Grenzfehden, die in räuberische Überfälle ausarteten und mit Unterbrechungen jahrzehntelang dauerten, ohne daß die nebenher laufenden diplomatischen Verhandlungen zu nennenswerten Ergebnissen geführt hätten. Dieser Gegensatz zu Brandenburg trieb den Herzog Erich II. wohl in die Arme der Polen, mit denen zusammen er in wenig ruhmvoller Weise am Kampf gegen den in Ostpommern einflußreich gewordenen Deutschen Ritterorden teilnahm. Er zeigte sich seiner Vorfahren, die schon bei der Niederwerfung der Deutschritter bei Tannenberg (l410) eine sehr zweifelhafte Rolle gespielt hatten, würdig, als er aus den Händen der Polen die den Rittern abgenommenen Länder Lauenburg und Bütow zu Lehen empfing.


Deutschordensschloß in Bütow
Das Schloß wurde 1398-1406 von den Ordensrittern erbaut, im 16. und 17 Jahrhundert von den pommerschen Herzögen erweitert.