Die Georgen- oder St. Jürgenkapelle

Noch eine ehrwürdige Kirche in Rügenwalde

So ist sie genannt zu Ehren des streitbaren Drachentöters St. Georg oder St. Jürgen. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert, wurde 1502 eingeweiht und 1599 durch milde Beiträge wieder hergestellt. Eingepfarrt waren die Hospitäler St. Spiritus und St. Jürgen und der Beguinenhof. St. Spiritus diente der Armen- und Krankenpflege, St. Jürgen besonderen aus der Pflege der Aussätzigen. Beide Hospitälern bestanden aus einzelnen zum Teil zusammenhängenden kleinen Häuschen. Diese Stiftungen waren arm, da sie nur von der Wohltätigkeit der Rügenwalder Bürger unterhalten wurden. 1680 waren 30 solcher Häuschen vorhanden aus Lehmfachwerk mit Stroh oder Rohr gedeckt, daher beim starkem Winde kein Feuer in ihnen angemacht werden durfte. Zu jeder Bude gehörte ein Stück Gartenland. Die Beguinen-Bettelfrauen waren Frauen, die sich in Vereinen zu einem streng sittlichen und beschaulichen Leben verbunden hatten.


St. Jürgen Kapelle

Bewohner des Hospitals waren bedürftige Leute beiderlei Geschlechts. Sie gaben für die ihnen überlassene Wohnung ein Einkaufsgeld, das in Teilzahlungen belegt werden konnte, häufig auch ganz erlassen wurde. Man hielt sehr auf ein ruhiges und friedliches Leben der Hospitalbewohner. 1613 wird der Peter Dubberkeschen eine Verwarnung erteilt, dass sie ihrer Bude und des Einkaufsgeldes verlustig gehen würde, wenn sie sich nicht ruhig verhielte. Täglich mussten sie gemeinsame Betstunden halten und erhielten daher 1623 die Glocke der Getrudkirche zugewiesen. Die ganz armen Leute wurden vielefach zu öffentlichen Arbeitern verwandt, mussten unter Aufsicht des Bettelvogts den Markt reinigen und Dienste als Leichenträger und Totengräber tun. Aus St. Spirtus, St. Jürgen und dem Beguinenhofe hat sich dann das heutige Hospital entwickelt, dessen gefälliger Backsteinbau aus dem Jahre 1885 stand. Über die Georgenkapelle und urteilt Böttger: "Das Gebäude, ohne Turm, mit abgerundet im Chorschluß, Strebepfeilern und Holzdecke ist vollkommen Schmucklos und ohne architektonischen Wert."

 

Aus: Rügenwalde;
Zur 600jährigen Jubelfeier der alten Hansestadt, S.43 f.

 

Gegen den giftigen Atem des Drachens

Die St. Jürgen-Kapelle in Rügenwalde und ihre Ursprünge

Wie St. Gertrud einst der Ausgangspunkt für die Stolpmünder Vorstadt wurde, so war St. Jürgen es für die Wipper-Vorstadt. Die Lubinsche Ansicht zeigt uns das altersgraue Kirchlein genau wie heute aussehend, nur läuft um dasselbe eine mannshohe Glinde im Kreise herum. Im Schatten hoher Eschen gelegen, bietet der stille Winkel einen wohltuenden Gegensatz zu dem Verkehr in der Bahnhofstraße.

Der hl. Georg, der Schutzpatron der Ritter, ist als Drachentöter bekannt. Er weigerte sich später, den Götzen zu opfern und trinkt den Giftbecher ohne Schaden. Gerädert, von Pferden geschleift, wird er enthauptet und später als Heiliger die Zahl der 14 Nothelfer aufgenommen.

Fast alle pommerschen Städte, die aus dem 13. Jahrhundert, dem Besiedlungsjahrhundert, stammen hatten ihre Jürgenkapelle mit Hospital vor der Stadt; Infolge der Kreuzzüge war der Aussatz nach dem Abendland gekommen und hatte sich hier ausgebreitet. Weil der Atem jenes Drachen giftige Krankheiten verbreiten sollte, gründete man unter dem Schutze des Drachentöters Aussatz-Hospitäler, die von aller Berührung mit der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen waren, daher vor den Stadttoren liegen mußten, weil der Aussatz unheilbar war.

Schon im ersten Viertel des 13. Jahrhundert gab es in Europa gegen 20 000 St. Jürgenhospitäler. Daraus geht hervor, daß auch die Jürgenkapelle sehr alt sein muß. Sie wird schon im 15. Jahrhundert erwähnt, muß aber später einem Umbau unterworfen sein, da sie am Tage Allerseelen 1502 von Bischof Martin Karith eingeweiht wurde. 1599 wird sie nochmals, nachdem sie schadhaft geworden, aus milden Beiträgen wiederhergestellt. 1623 erhielt sie die Glocke von St. Gertrud zugewiesen. Die Kapelle ist einschiffig, 8,50 Meter breit und doppelt so lang. Der wenig überragende Westturm hat eine 1,08 Meter starke Außenmauer und oben eine 1817 umgegossene Glocke von 40 Zentimeter Durchmesser.

Die Wände des Schiffes sind von 13 Rundbogenfenstern 1,10 x 1,90 Meter durchbrochen, zwei in der Westwand, drei im Chor und je vier in den beiden Längswänden. Die rautenförmigen Scheiben sind in Blei gefaßt. Ein Fenster in der Nordwand weist eine Glasmalerei auf von 18 Zentimeter Breite. Zwei Bären halten das Wappen der v. Adebar. Darunter steht: Senator Lorentz Adebar 1603. Dieser war 1599 hier Ratmann, später Kämmerer und Bürgermeister, gest. 1628. Die von Adebar waren ein sehr angesehenes, reich begütertes altes Patriziergeschlecht hier wie in Kolberg, das der Kirche manche Schenkung überwies. Ebenso befindet sich in einem Fenster in der Südwand eine alte Glasmalerei 10 x 12 Zentimeter, die ohne Unterschrift zwei gekreuzte Gabeln zeigt. Die grau getünchten Wände machen einen nüchternen Eindruck.

Ein altes Holztafelgemälde an der Südwand, Christus mit der Weltkugel und Kreuz darauf darstellend und der Unterschrift: Amen, Amen, dica vobis, qui credit in me habet vitam aeternam Joh. cap.6, ist ohne künstlerischen Wert.

Einen gefälligen Eindruck macht die Kanzel mit der Sakristei, in einheitlichem Stile geschnitzt und braun gehalten. Die Wandung zeigt die weiß gestrichenen vier Evangelisten. Auch der Altaraufsatz weist nur einfache Schnitzerei auf; das Abendmahl in Weiß und Gold gehalten. In der Ostwand befindet sich ein eingelassener Holzschrank von 1,45 x 0,95 Meter, in dem eine Taufschüssel in guter getriebener Arbeit, den Sündenfall darstellend, aufbewahrt wird. Weitere bemerkenswerte Ausstattungsstücke finden sich nicht vor.

Aus: Der Kreis Schlawe,
ein pommersches Heimatbuch, S.725 f.